Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander (книги полностью бесплатно txt) 📗
Haven blieb sehr fur sich, und bis auf einige beinahe irrsinnige Wutanfalle schien er zufrieden, alles Parris uberlassen zu konnen. Es war ein gespanntes, au?erst vorsichtiges Verhaltnis zwischen den beiden, das sich aber auf die gesamte Offiziersmesse auswirkte. Trotz allem wurde der Marschbefehl, der mit der Kurierbrigg gekommen war, begru?t. Ein Sturm braute sich uber Europa zusammen, wahrend die Widersacher einander belauerten und auf einen Feldzug warteten, ja auf eine einzige Schlacht, die das Gleichgewicht verschieben konnte.
Die verlorene Fregatte Consort, in Intrepido umbenannt, war unbemerkt und ungemeldet entschlupft. Man sagte, da? sie nach
Spanien geeilt war, um sich der starken Kriegsmarine Seiner Allerkatholischsten Majestat anzuschlie?en.
Obendrein wurde sie dort die offentliche Moral starken: eine Prise, die man den Englandern weggenommen hatte, obwohl die so verzweifelt Fregatten brauchten.
Bolitho starrte auf den turmhohen Felsen. Gibraltar for orders! Wie gut kannte er diese Worte: nach Gibraltar um neue Befehle. Es war in Gibraltar gewesen, wo er der Hyperion zuerst begegnete, als dieser endlose Krieg kaum angefangen hatte. Dachten Schiffe uber ihr Schicksal nach? Allday lungerte bei den Booten herum, den breitkrempigen Hut vor dem Sonnenglast tief in die Stirn gezogen. Auch er wurde sich jetzt an den Felsen erinnern. Bolitho sah ihn eine Hand zur Brust fuhren und eine Grimasse schneiden. Dabei schaute er sich argwohnisch um, ob es einer gemerkt hatte. Er litt standig Schmerzen. Au?erdem dachte er wohl an seinen Sohn, an die Wirtstochter in Falmouth, ans letzte Gefecht, ans nachste.
Allday fuhlte, da? Bolitho ihn beobachtete, und drehte sich nach ihm um. Ein kurzer, verstandnisvoller Blickwechsel, als erriete er Bolithos Gedanken. Wie an jenem grauen Morgen, als er Catherine verlie?. Allday hatte ihn erwartet, die Finger in den Mund gesteckt und mit einem schrillen Pfiff, der jede Bootsmannspfeife ubertonte, ein Boot herangerufen.
Beim Abschied hatte Bolitho Catherine zu uberreden versucht, London zu meiden, bis sie den Sturm gemeinsam durchstehen konnten. Aber sie war unnachgiebig geblieben, denn sie wollte Somervell treffen, um ihm die Wahrheit zu sagen. Als er sich um ihre Sicherheit besorgt zeigte, hatte sie ihr perlendes, unbefangenes Lachen losgelassen, das er so gut kannte.»Es gibt keine Liebe zwischen uns, Richard, was du auch annehmen magst. Ich wollte die Sicherheit einer Ehe, und Lacey brauchte mich als Ruckhalt, als Alib i.»
Es tat weh, seinen Vornamen aus ihrem Mund zu horen. Er sah sie wieder vor sich wie am letzten Abend, ihre erregenden Augen, ihre hohen Backenknochen, und spurte ihr unglaubliches
Vertrauen. Jenours Schritte schreckten ihn auf. Der Flaggleutnant harrte seiner Befehle. Auf dem blauen Wasser tanzte eine Brigg, die der Felsenfestung mit flatternden Signalen Einzelheiten uber das herankommende Geschwader mitteilte. Vielleicht lag auch eine Nachricht von Catherine vor? Er hatte ihren einzigen Brief immer wieder gelesen, bis er ihn auswendig kannte.
Solch eine beeindruckende, lebensspruhende Frau. Somervell war verruckt, wenn er nicht um ihre Liebe kampfte. In einer Nacht, in der sie im Mondlicht beieinander gelegen hatten, erzahlte sie ihm einiges aus ihrer Vergangenheit. Er wu?te schon von ihrer ersten Ehe mit einem englischen Glucksritter, der bei einer Prugelei in Spanien umgekommen war. Damals war sie nichts anderes als ein junges, in London aufgewachsenes Madchen gewesen.»Und zwar in einem Stadtteil aufgewachsen, den dir vorzustellen du nicht wagen wurdest, lieber Richard!«Sie hatte gelacht und sich an seine Schultern gekuschelt, aber er hatte Traurigkeit in ihrer Stimme gehort. Schon mit vierzehn hatte sie auf der Buhne gestanden — und von dort war es ein langer harter Weg bis zur Frau des Generalinspekteurs von Westindien. Spater hatte ihr Luis Pareja geholfen, der getotet wurde, als Bolitho ihr Schiff als Prise kaperte und es dann gegen Piraten verteidigen mu?te.
Pareja war doppelt so alt gewesen wie sie, aber sie hatte sehr an ihm gehangen, vor allem wegen seiner Sanftmut und Gute. Er hatte sie auch gut versorgt, obgleich sie nicht ahnte, da? sie mehr besa? als die Juwelen, die sie trug, als Bolitho in ihr Leben platzte. Ihre erste Begegnung glich einer Explosion, bei der sie all ihre Verzweiflung und Wut formlich ausspuckte. Danach war es schwer zu ergrunden, wann sich das alles in ebenso leidenschaftliche Liebe verwandelt hatte.
Bolitho richtete sein Teleskop auf die Brigg. Brachte sie ihm Neuigkeiten?
Catherine hatte jenes Schauspiel versaumt, das anzusehen sie sich geschworen hatte: die Hinrichtung der Piraten. Fast das letzte, was Bolitho erblickte, als Hyperion English Harbour verlie?, war eine Reihe grausiger Galgen mit ihren von der Sonne gedorrten Uberresten — als Warnung fur andere.
Vorn, an der Steuerbordseite, stand Parris. Er wollte sicherstellen, da? niemand an Land auch nur den kleinsten Fehler an ihrem Ankermanover finden konnte. In Antigua war Parris mit einer Arbeitsgruppe an Land gegangen, um Catherines Gepack auf das Postschiff zu befordern. Sie hatte an Bolithos Arm zugeschaut, wie die Seeleute die einzelnen Stucke zur Anlegebrucke brachten.
Plotzlich sagte sie:»Ich mag den Mann nicht.»
Bolitho war uberrascht.»Er ist ein guter Offizier und tapfer dazu. Was gefallt dir nicht an ihm?»
Sie hatte mit den Achseln gezuckt.»Er macht mich schaudern. «Dann hatte sie sich beeilt, das Thema zu wechseln.
Bolitho betrachtete den Ersten Leutnant nachdenklich. Wie leicht brachte er einen Matrosen zum Grinsen und beeindruckte er einen Fahnrich. Vielleicht erinnerte er Catherine an jemanden in ihrer Vergangenheit? Es war ebenso leicht, sich Parris als Glucksritter vorzustellen.
Jenour bemerkte:»Ich bin zum erstenmal in Gibraltar, Sir Richard.»
Bolitho nickte.»Ich war ein oder zweimal heilfroh, als ich den Felsen nach rauher Uberfahrt sichtete.»
Kapitan Haven rief:»Kursanderung zwei Strich nach Backbord!»
Bolitho scho? ein Gedanke durch den Kopf. Hatte Catherine in Parris instinktiv das erkannt, was Haven ihm offensichtlich vorwarf? Er zog seine Uhr aus der Tasche, wahrend die Seeleute an Brassen und Fallen eilten.
«Signal an alle — in Kiellinie wenden!»
Die auf dem Sprung stehenden Fahnriche wuhlten in einer Menge Fahnentuch, indes ihre Gehilfen schnell wie der Blitz die Flaggen anknupften.
«Verstanden, Sir!»
Haven grollte:»Wird auch Zeit, verdammt!»
Jenour sagte bedachtig:»Ich bin auf unsere Befehle neugierig.»
Der Admiral lachelte.»Sie nicht allein, Stephen. Entweder geht es nach Norden in die Biskaya, zur verfluchten Blockade von Brest und Lorient, oder wir mussen uns Nelson im Mittelmeer anschlie?en. Die Wurfel fallen hier, so oder so.»
Bolitho beschattete seine Augen und verfolgte die Manover der anderen, die fur die letzte Strecke zum Ankerplatz Segel kurzten. Hinter der Obdurate lief ein weiterer Veteran, die Crusader. Funfundzwanzig Jahre alt, hatte sie wie die meisten Schiffe dritter Klasse viele Male Pulver gerochen. Bolitho war ihr vor Toulon und in Westindien begegnet, bei dem franzosischen Invasionsversuch in Irland und in der feuerspeienden Schlachtlinie vor dem Nil.
Redoutable und Capricious rundeten das Geschwader ab. Letztere wurde von Kapitan William Merrye gefuhrt, dessen Gro?vater ein schandlicher Schmuggler gewesen war. Die Vierundsiebziger bildeten das Ruckgrat der Flotte, jeder Flotte. Bolitho blickte zu seiner Flagge am Vormast empor. Sie stand dort gut und richtig.
Dann kam die langgezogene Zeremonie des Salutschie?ens, vom Felsen wiederholt, was die Reede teilweise in Rauch hullte und die Echos wie eine zusatzliche Beleidigung nach Algeciras hinuberschallen lie?. Ein Wachboot mit einer ubergro?en Flagge lag bewegungslos an der Stelle, wo sie ankern sollten. Dabei fiel Bolitho wieder das spanische Wachboot vor La Guaira ein, wie es unter dem Steven des Schoners zerbrochen war.