Hermann und Dorothea - Goethe Johann Wolfgang (читаем бесплатно книги полностью TXT) 📗
Fiel ich sie an und schlug und traf mit blindem Beginnen,
Ohne zu sehen, wohin. Sie heulten mit blutigen Nasen
Und entrissen sich kaum den wutenden Tritten und Schlagen.
Und so wuchs ich heran, um viel vom Vater zu dulden,
Der statt anderer mich gar oft mit Worten herumnahm,
Wenn bei Rat ihm Verdru? in der letzten Sitzung erregt ward,
Und ich bu?te den Streit und die Ranke seiner Kollegen.
Oftmals habt Ihr mich selbst bedauert; denn vieles ertrug ich,
Stets in Gedanken der Eltern von Herzen zu ehrende Wohltat,
Die nur sinnen, fur uns zu mehren die Hab' und die Guter,
Und sich selber manches entziehn, um zu sparen den Kindern.
Aber, ach! nicht das Sparen allein, um spat zu genie?en,
Macht das Gluck, es macht nicht das Gluck der Haufe beim Haufen,
Nicht der Acker am Acker, so schon sich die Guter auch schlie?en.
Denn der Vater wird alt, und mit ihm altern die Sohne,
Ohne die Freude des Tags, und mit der Sorge fur morgen.
Sagt mir, und schauet hinab, wie herrlich liegen die schonen,
Reichen Gebreite nicht da, und unten Weinberg und Garten,
Dort die Scheunen und Stalle, die schone Reihe der Guter!
Aber seh ich dann dort das Hinterhaus, wo an dem Giebel
Sich das Fenster uns zeigt von meinem Stubchen im Dache,
Denk ich die Zeiten zuruck, wie manche Nacht ich den Mond schon
Dort erwartet und schon so manchen Morgen die Sonne,
Wenn der gesunde Schlaf mir nur wenige Stunden genugte:
Ach! da kommt mir so einsam vor, wie die Kammer, der Hof und
Garten, das herrliche Feld, das uber die Hugel sich hinstreckt;
Alles liegt so ode vor mir: ich entbehre der Gattin.»
Da antwortete drauf die gute Mutter verstandig:
«Sohn, mehr wunschest du nicht, die Braut in die Kammer zu fuhren,
Da? dir werde die Nacht zur schonen Halfte des Lebens
Und die Arbeit des Tags dir freier und eigener werde,
Als der Vater es wunscht und die Mutter. Wir haben dir immer
Zugeredet, ja dich getrieben, ein Madchen zu wahlen.
Aber mir ist es bekannt, und jetzo sagt es das Herz mir:
Wenn die Stunde nicht kommt, die rechte, wenn nicht das rechte
Madchen zur Stunde sich zeigt, so bleibt das Wahlen im Weiten,
Und es wirket die Furcht, die falsche zu greifen, am meisten.
Soll ich dir sagen, mein Sohn, so hast du, ich glaube, gewahlet,
Denn dein Herz ist getroffen und mehr als gewohnlich empfindlich.
Sag es gerad nur heraus, denn mir schon sagt es die Seele:
Jenes Madchen ist's, das vertriebene, die du gewahlt hast.»
«Liebe Mutter, Ihr sagt's!«versetzte lebhaft der Sohn drauf.
«Ja, sie ist's! und fuhr ich sie nicht als Braut mir nach Hause
Heute noch, ziehet sie fort, verschwindet vielleicht mir auf immer
In der Verwirrung des Kriegs und im traurigen Hin- und Herziehn.
Mutter, ewig umsonst gedeiht mir die reiche Besitzung
Dann vor Augen, umsonst sind kunftige Jahre mir fruchtbar.
Ja, das gewohnte Haus und der Garten ist mir zuwider;
Ach! und die Liebe der Mutter, sie selbst nicht trostet den Armen.
Denn es loset die Liebe, das fuhl ich, jegliche Bande,
Wenn sie die ihrigen knupft; und nicht das Madchen allein la?t
Vater und Mutter zuruck, wenn sie dem erwahleten Mann folgt;
Auch der Jungling, er wei? nichts mehr von Mutter und Vater,
Wenn er das Madchen sieht, das einziggeliebte, davonziehn.
Darum lasset mich gehn, wohin die Verzweiflung mich antreibt.
Denn mein Vater, er hat die entscheidenden Worte gesprochen,
Und sein Haus ist nicht mehr das meine, wenn er das Madchen
Ausschlie?t, das ich allein nach Haus zu fuhren begehre.»
Da versetzte behend die gute verstandige Mutter:
«Stehen wie Felsen doch zwei Manner gegeneinander!
Unbewegt und stolz will keiner dem andern sich nahern,
Keiner zum guten Worte, dem ersten, die Zunge bewegen.
Darum sag ich dir, Sohn: noch lebt die Hoffnung in meinem
Herzen, da? er sie dir, wenn sie gut und brav ist, verlobe,
Obgleich arm, so entschieden er auch die Arme versagt hat.
Denn er redet gar manches in seiner heftigen Art aus,
Das er doch nicht vollbringt; so gibt er auch zu das Versagte.
Aber ein gutes Wort verlangt er und kann es verlangen;
Denn er ist Vater! Auch wissen wir wohl, sein Zorn ist nach Tische,
Wo er heftiger spricht und anderer Grunde bezweifelt,
Nie bedeutend; es reget der Wein dann jegliche Kraft auf
Seines heftigen Wollens und la?t ihn die Worte der andern
Nicht vernehmen, er hort und fuhlt alleine sich selber.
Aber es kommt der Abend heran, und die vielen Gesprache
Sind nun zwischen ihm und seinen Freunden gewechselt.
Milder ist er furwahr, ich wei?, wenn das Rauschchen vorbei ist
Und er das Unrecht fuhlt, das er andern lebhaft erzeugte.
Komm! wir wagen es gleich; das Frischgewagte gerat nur,
Und wir bedurfen der Freunde, die jetzo bei ihm noch versammelt
Sitzen; besonders wird uns der wurdige Geistliche helfen.»
Also sprach sie behende und zog, vom Steine sich hebend,
Auch vom Sitze den Sohn, den willig folgenden. Beide
Kamen schweigend herunter, den wichtigen Vorsatz bedenkend.