Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio - Kent Alexander (книги онлайн полностью бесплатно .TXT) 📗
Jury sagte:»Vielen Dank, da? Sie mich mitgenommen haben, Sir.»
Bolitho dachte an Pallisers letzten Satz; dieser konnte es einfach nicht lassen, einen sarkastischen Hieb auszuteilen. Und doch war er es gewesen, der an Spillane gedacht und au?erdem gesehen hatte, was Stockdale mit der Kanone anfing. Ein Mann mit vielen Gesichtern, dachte Bolitho.
Er antwortete:»Achten Sie darauf, da? die Manner sich nachher nicht zerstreuen. «Er brach ab, als er Stockdale entdeckte, der halb von den Ruderern verdeckt — vorn im Boot sa?. Irgendwie hatte er es geschafft, sich schnell in ein kariertes Hemd und eine wei?e Hose zu werfen und mit einem Entermesser zu bewaffnen.
Stockdale tat, als bemerke er Bolithos Verwunderung nicht.
Bolitho schuttelte den Kopf.»Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Ich glaube nicht, da? Sie Arger mit den Leuten haben werden.»
Was hatte der gro?e Boxer gesagt?» Ich werde Sie nicht verlassen. Niemals.»
Der Bootssteurer schatzte den Abstand zur Landungsbrucke, legte dann hart Ruder und befahl:»Riemen ein!»
Der Kutter kam an ein paar Steinstufen zum Stehen, der Bugmann piekte den Bootshaken in einen rostigen Eisenring. Bolitho zog sein Sabelgehange zurecht und schaute zu der neugierigen Menge auf. Sie schien freundlich gesonnen; doch wenige Meter entfernt war ein Mann ermordet worden.
Er befahl:»Auf der Pier antreten!»
Am Kopf der Treppe gru?te er Colpoys' Wachtposten. Die Seesoldaten machten einen recht frohlichen Eindruck und rochen trotz ihrer strammen Haltung stark nach Alkohol. Einer von ihnen trug sogar eine Blume am Kragen.
Bolitho schaute sich um und steuerte mit so viel Selbstvertrauen, wie er aufbringen konnte, auf die nachste Stra?e zu. Die sechs Matrosen marschierten hinter ihm her und tauschten dabei Blicke und Winke mit der auf Balkons und in Fenstern ausliegenden Weiblichkeit.
Jury fragte:»Wer konnte ein Interesse daran haben, den armen Lok-kyer zu ermorden, Sir?»
«Das frage ich mich auch. «Er zogerte einen Augenblick und wandte sich dann in eine enge Gasse, uber der sich die Dacher der anliegenden Hauser so nahe kamen, als wollten sie den Himmel ganz ausschlie?en. Es duftete intensiv nach Blumen, und in einem der Hauser spielte jemand auf einem Saiteninstrument.
Bolitho studierte noch einmal seinen Zettel und musterte dann ein schmiedeeisernes Tor, das auf einen Hof fuhrte, in dessen Mitte ein Brunnen platscherte. Sie waren da.
Er sah, wie Jury mit gro?en Augen all die fremden Dinge betrachtete, und erinnerte sich, wie er selber einst bei ahnlicher Gelegenheit gestaunt hatte.
Leise sagte er:»Sie kommen mit. «Dann hob er die Stimme.»Stockdale, Sie haben hier die Aufsicht. Niemand entfernt sich ohne meinen ausdrucklichen Befehl. Verstanden?»
Stockdale nickte grimmig. Er plante sicherlich, jeden, der gegen den Befehl verstie?, zusammenzuschlagen.
Ein Diener fuhrte Bolitho in einen kuhlen Raum uber dem Hof, wo Dumaresq und ein alterer Herr mit wei?em Spitzbart und einer Haut, die wie weiches Wildleder aussah, sa?en und Wein tranken.
Dumaresq stand nicht auf.»Nun, Mr. Bolitho?«Wenn er uber ihr unerwartetes Kommen beunruhigt war, so verbarg er es gut.»Was gibt es?»
Bolitho warf einen zweifelnden Blick auf den alten Herrn, doch Dumaresq sagte kurz:»Wir sind unter Freunden.»
Bolitho erzahlte, was von dem Augenblick an geschehen war, als der Schreiber das Schiff mit seiner Tasche verlassen hatte.
Dumaresq stellte fest:»Sergeant Barmouth ist kein Dummkopf. Wenn die Tasche noch da gewesen ware, hatte er sie gefunden. «Er wandte sich um und sagte etwas zu seinem Gastgeber. Dieser schien zu erschrecken, bevor er seine ursprungliche Haltung zuruckgewann.
Bolitho spitzte die Ohren. Dumaresqs Gastgeber lebte zwar auf dem portugiesischen Madeira, doch der Kommandant hatte offenbar mit ihm spanisch gesprochen.
Dumaresq befahl:»Gehen Sie zuruck an Bord, Mr. Bolitho. Eine Empfehlung an den Ersten Offizier, und melden Sie ihm, er soll den Schiffsarzt und alle anderen Leute an Land sofort zuruckrufen. Ich beabsichtige, noch vor Anbruch der Nacht Anker zu lichten.»
Bolitho dachte jetzt nicht an die Schwierigkeiten, ja an das offensichtliche Risiko, den Hafen bei Dunkelheit zu verlassen. Er verstand die plotzliche Eile und die Dringlichkeit, die durch die Ermordung Lockyers ausgelost worden war.
Er machte eine Verbeugung vor dem alten Herrn und sagte:»Ein wunderschones Haus, Sir.»
Der alte Herr lachelte und ve rneigte sich leicht.
Bolitho ging die Treppe hinunter, Jury immer hinter sich, und uberlegte, da? sein Gastgeber offensichtlich verstand, was er uber das schone Haus gesagt hatte. Wenn Dumaresq also mit ihm spanisch und nicht englisch gesprochen hatte, dann nur, damit er und Jury ihn nicht verstanden.
Er beschlo?, diese Erkenntnis als einen Teil des Ratsels fur sich zu behalten.
Noch in derselben Nacht fuhrte Dumaresq sein Schiff wie angekundigt wieder auf See. Bei leichtem Wind lediglich unter Marssegeln und Kluver, wand sich die Destiny — gefuhrt von einem Kutter mit einer Laterne am Heck, die ihr wie ein Gluhwurmchen den Weg wies — zwischen den anderen vor Anker liegenden Schiffen hindurch.
Bei Tagesanbruch lag Madeira schon wie ein purpurfarbener Hocker weit achteraus am Horizont. Aber Bolitho war gar nicht sicher, da? das Geheimnis mit der Gasse hinter ihnen zuruckbleiben wurde, in der Lockyer seinen letzten Atemzug getan hatte.
IV Spanisches Gold
Leutnant Charles Palliser schlo? die beiden au?eren Lamellenturen von Dumaresqs Kajute und meldete:»Alle versammelt, Sir. «Offiziere und altere Deckoffiziere der Destiny schauten in unterschiedlicher Haltung Dumaresq erwartungsvoll entgegen. Es war zwei Tage nach ihrem Auslaufen von Madeira, am spaten Nachmittag. Auf dem Schiff war eine Art lassiger Ruhe eingekehrt. Ein leichter Nordostwind trieb es auf Backbordbug stetig in die Weite des Atlantiks hinaus.
Dumaresq warf einen Blick zum Oberlicht hinauf, auf das ein Schatten gefallen war, wahrscheinlich vom Steuermannsmaat der Wache.
«Schlie?en Sie auch das!»
Bolitho musterte seine Gefahrten und fragte sich, ob sie seine wachsende Neugierde teilten.
Diese Zusammenkunft war unvermeidbar gewesen, aber Dumaresq hatte es gro?e Muhe gekostet, ihnen mitzuteilen, da? sie einberufen wurde, sobald das Schiff frei von Land sei.
Dumaresq wartete, bis Palliser sich wieder gesetzt hatte. Dann sah er sie der Reihe nach an. Sein Blick wanderte vom Offizier der Seesoldaten uber den Arzt, den Master und den Zahlmeister schlie?lich zu seinen drei Seeoffizieren.
Er sagte:»Sie alle sind uber den Tod meines Schreibers informiert. Ein zuverlassiger Mann, auch wenn er einige sonderbare Gewohnheiten hatte. Es wird schwer sein, ihn zu ersetzen. Indessen bedeutet seine Ermordung durch unbekannte Tater mehr als nur den Verlust eines Gefahrten. Ich habe einige Geheimbefehle, uber die ich Sie nun, da die Zeit dafur gekommen ist, in groben Zugen ins Bild setzen mu?. Es hei?t zwar, wenn zwei Leute von einer Sache wissen, ist sie nicht langer ein Geheimnis. Doch ein sehr viel argerer Feind auf einem kleinen Schiff sind Geruchte und das, was sie anrichten konnen.»
Bolitho zuckte zusammen, als der fordernde Blick des Kommandanten einen Augenblick auf ihm ruhte, bevor er weiter in der Kajute herumwanderte.
Dumaresq sagte:»Vor drei?ig Jahren, also bevor die meisten in unserer Mannschaft ihren ersten Atemzug taten, fuhrte ein Kommodore Anson eine Expedition um Kap Hoorn in die Gro?e Sudsee. Seine Aufgabe war es, spanische Niederlassungen zu beunruhigen, denn — wie Sie wissen sollten — wir standen damals im Krieg mit den Dons. «Er nickte grimmig.»Wieder einmal.»
Bolitho dachte an den vornehmen Spanier in dem Haus hinter dem Hafen von Funchal, an die Geheimnistuerei und an die verschwundene Dokumententasche, fur die ein Mann hatte sterben mussen.