Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander (читать лучшие читаемые книги .TXT) 📗
Jetzt war es soweit. Der Wind stand gunstig, das Schiff lag so hoch an, wie es konnte und die Leinwand noch zog. Wenn sie um die Felsspitze herum waren, mu?te alles schnell und wirkungsvoll ablaufen, mu?te der Uberraschungseffekt wie kaltes Wasser auf einen schlafenden Matrosen wirken.»Rennen Sie die Kanonen aus, wenn's beliebt!«Bolitho vermied es, die kleine Gruppe von Offizieren anzuschauen. Wenn die Bucht leer war, wurden sie uber seine lappischen Vorbereitungen lachen. Aber wenn er kostbare Minuten opferte, um sein Ansehen zu retten, mu?ten sie ihn mit Recht verfluchen.
Als der Zweite Offizier ein Handzeichen gab, rumpelten die Geschutze auf ihren quietschenden Lafettenwagen an die Lee-Pforten und wurden in ihrer Abwartsbewegung mit Taljen und Handspaken gebremst. Es war keine leichte Arbeit auf dem tuckisch glatten Deck.
Fast gleichzeitg steckten die Zwolfpfunder ihre schwarzen Mauler aus den Stuckpforten, wahrend hier und da ein Richtschutze den Schnee von seinem Schutzling wischte.»Steuerbord-Batterie ist ausgerannt, Sir!»
«An Deck!«Die spannungsvolle Erwartung ging plotzlich zu Ende, als der Ausguck im Mastkorb aufgeregt herunterrief:»Schiffe vor Anker hinter der Spitze, Sir!»
Bolitho schaute Neale und Allday an, der hinter ihm stand und mit seinem Entermesser Locher in die Luft schlug, als kampfe er mit einem Feind. Sein Blick schweifte weiter nach vorn, wo sein Neffe auf einen Geschutzwagen geklettert war, um besser uber die Netze sehen zu konnen. Wenn alle anderen an ihm gezweifelt hatten — diese drei bestimmt nicht.
«Klar zum Abfallen!»
«An die Brassen, Schoten und Halsen!»
Wahrend Toppsgasten und Decksleute auf Posten rannten, blieben die Geschutzbedienungen ruhig an ihrem Platz, jeder Geschutzfuhrer auf Ordnung in seiner kleinen Welt bedacht, die von der Stuckpforte wie ein Bild eingerahmt wurde.
Neale hob die Hand.»Ruhig, Leute! Ganz ruhig bleiben!»
Bolitho horte ihn. Es klang, als besanftige jemand ein nervoses
Pferd.
Er starrte gebannt uber die Netze und konnte seine Gefuhle kaum noch beherrschen. Da lag es vor ihnen: ein halbes Dutzend Handelsschiffe, eng beieinander geankert. In ihren wei?en Schneemanteln, den kreuz und quer gebra?ten Rahen und ihrer Leblosigkeit machten sie einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck.
Allday hatte sich hinter ihn geschoben, wie immer, um ihm nahe zu sein. Und bereit. Bolitho konnte ihn aufatmen horen, als er sagte:»Englische Schiffe, ohne Zweifel, Sir. «Sein kraftiger Arm scho? vor.»Und schauen Sie da: der verdammte Franzmann!»
Bolitho griff wieder nach dem Glas und suchte sich zwischen Masten und Takelage ein Blickfeld. Da war sie, die Ajax, wie er sie in der Erinnerung hatte. Naher zum Ufer hin lag ein weiteres Kriegsschiff, gro?er und wuchtiger. Wahrscheinlich ein ehemaliger Zweidecker: der Begleiter der beschlagnahmten Handelsschiffe, hier vor Anker, um besseres Wetter oder neue Befehle abzuwarten.
Die blassen Umrisse der Festungswalle verloren sich fast hinter den herabrieselnden Schneeflocken, aber irgendwo schmetterte ein Trompetensignal, und Bolitho konnte sich gut vorstellen, wie die aufgeschreckten und fluchenden Soldaten umherrannten, um ihre Verteidigungsstellungen zu bemannen. Niemand war begeistert, wenn er aus seinem warmen Nest in ein solches Wetter gejagt wurde.
«Jetzt, Captain Neale! Andern Sie Kurs, und fahren Sie knapp hinter den Handelsschiffen vorbei.»
Weit weg ein Kanonenschu?, der Knall wurde vom Schnee gedampft. War es ein Probeschu?? Ein Alarmsignal? Bolitho fuhlte Erregung in sich aufsteigen wie Fieber. Was auch kam, jetzt war es fur ein Ausweichen zu spat.
Er packte wieder das Gelander, um sich zu beruhigen, wahrend Ruder gelegt wurde und die Styx Kurs auf den Ankerplatz nahm. Er beruhrte den prachtigen, vergoldeten Griff seines Ehrensabels und erschrak, als ihm einfiel, da? er seinen alten Degen auf der Benbow gelassen hatte. Allday bemerkte diesen Augenblick der Unsicherheit und fuhlte mit ihm.
Bolitho drehte sich um und sah ihn an. Er wu?te, da? Allday ihn verstand und sich selber die Schuld zuschob.
«Keine Sorge, Allday, wir konnten nicht wissen, da? unser Besuch bei den Danen hier enden wurde.»
Beide lachelten, aber keiner machte dem anderen etwas vor. Es war wie ein Omen.
«Die Ajax hat ihre Ankertrosse gekappt, Sir!«Ein Midshipman hupfte vor Aufregung.»Sie sind vollig durcheinander!»
Bolitho sah das erste Stuck Leinwand an den Rahen der gegnerischen Fregatte erscheinen und beobachtete den steilen Winkel ihrer Masten, als Wind und Stromung sie zum Ufer trieben.
Neale hatte sein Schwert gezogen und hielt es uber die Kopfe der nachsten Geschutzbedienung, als wolle er sie zuruckhalten. Das franzosische Schiff trat nun deutlicher aus dem Schneetreiben hervor und gewann Umri? und Personlichkeit. Weitere Segel waren gesetzt, und uber das Getose von Wellen und schlagender Leinwand hinweg horten sie das Gepolter der Geschutzwagen und den eindringlichen Ton einer
Pfeife.
Uber die Schulter rief Neale:»Nicht zu stark abfallen! Wir wollen den Franzosen zwischen uns und der Landbatterie halten!»
Bolitho beobachtete die feindliche Fregatte, als sie nach achtern auswanderte. Neale hatte nichts vergessen. Aus dem Augenwinkel sah er, als die Styx ihre leichte Kursanderung vollendet hatte, wie das Schwert des Kommandanten niederfuhr.
«Ziel aufgefa?t! Feuern!»
VI Schnell geschafft
Bolithos Augen brannten von dem Pulverqualm, den eine launische Bo uber das Achterdeck geweht hatte. Er beobachtete, wie die Kanonen beim Abschu? zuruckrollten und der wirbelnde Schneevorhang jedesmal wie von feurigen Zungen aufgerissen wurde. Seine Ohren waren durch den Larm fast taub. Jetzt fielen auch die Sechspfunder auf dem Achterdeck mit ihren grelleren Tonen in das Konzert ein. Die Kugeln schlugen kurz vor oder hinter dem anderen Schiff ins Wasser, einige trafen sogar.
Sofort nach dem Schu? sprangen die Geschutzbedienungen wie die Verruckten hinzu, wischten die Rohre aus, luden sie aufs neue mit Kartuschen und Kugeln und warfen dann ihr Korpergewicht in die Taljen, um die Lafetten wieder in Abschu?stellung zu ziehen.
Und noch immer hatte der franzosische Kommandant nicht einen einzigen Schu? als Antwort gefeuert.
Immer wieder hoben sich die Fauste der Geschutzfuhrer zur Klarmeldung, immer wieder brullte der Erste Offizier:»Salve! Feuern!»
Bolitho hielt die Hand uber die Augen und versuchte, den Pulverqualm zu durchdringen, der leewarts zum anderen Schiff hinubergetrieben wurde. Sie liefen jetzt aufeinander zu. Die etwas schwerere Ajax setzte auch noch ihre Bramsegel, um sich den Weg ins offene Wasser zu erkampfen.
Ein Hurra erklang, als eine Salve der Styx durch die Marssegel der Ajax fegte und der Wind die Locher, die die Kanonenkugeln geschlagen hatten, weiter aufri?. Auch das Gro?segel war getroffen und zerri? wie ein alter Sack.
Dann antwortete der Feind. Auf eine Entfernung von etwas einer Kabellange {185 Meter} kam die Breitseite schlecht gezielt heraus, aber Bolitho fuhlte, wie die Eisenkugeln in die holzernen Planken der Styx einschlugen. Ein verirrtes Gescho? traf sogar etwas weiter achtern unterhalb seines Standorts. Das Deck federte wie nach einem heftigen Hammerschlag zuruck, aber Neales Geschutzbedienungen schienen es gar nicht zu bemerken.»Stopft die Zundlocher! Wischt die Rohre aus! Laden!«Die taglichen Ubungen, der harte Drill, die vielen Fluche — jetzt zahlten sie sich aus.
«Kanonen ausrennen!»
Der Pulverqualm lag mit immer wieder rot und orange aufleuchtendem Kern zwischen den beiden Schiffen, als ob er ein eigenes Leben besa?e. Dann schlugen abermals Kugeln in die Bordwand der Styx ein, gerade als sie selber eine Breitseite abfeuern wollte.