Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .txt) 📗
Er hatte den Mast nicht einmal fallen horen, denn seine Ohren waren taub von den Schreien und Fluchen und dem Klirren von Stahl auf Stahl, aber er sah die Gesichter und Blicke und die wilde Entschlossenheit, die seine Manner wie Wahnsinn gepackt hatte.
Doch es war alles vergeblich. Schritt um Schritt wurden sie gegen die Hutte zuruckgedrangt, als weitere Leute von den Kanonen zur Unterstutzung herbeirannten und andere vom Besanmast mitten in sie hineinschossen, ohne Rucksicht darauf, ob sie Freund oder Feind trafen.
Eine Gestalt scho? unter seinem erhobenen Arm hindurch: Pas-coe. Als er ihn aufhalten wollte, schlug ihm ein franzosischer Leutnant den Sabel aus der Hand und anschlie?end mit dem Griff so heftig gegen den Kopf, da? er auf die Knie ging. Wogende Korper, Stich- und Hiebwaffen im Kampf um ihn herum, und dann Pascoe, der ihm wieder auf die Beine helfen wollte; im selben Augenblick sah er einen franzosischen Unteroffizier, der ganz ruhig und deutlich vom Himmel abgehoben dastand und mit einer Pistole auf die Schultern des Jungen zielte.
Eine andere Gestalt warf sich dazwischen und wurde einen Augenblick vom Mundungsfeuer der Pistole hell beleuchtet. Als der Korper zu Bolithos Fu?en niedersank, sah er, da? es sein Bruder war.
Nach Atem ringend, fischte er seinen Sabel unter den stampfenden Fu?en heraus und rammte ihn im Hochkommen dem Unteroffizier ins Gesicht, so da? es vom Mund bis zum Ohr in ein klaffendes, blutrotes Loch verwandelt wurde. Als der Mann gurgelnd zuruckfiel, hieb er den franzosischen Leutnant nieder und stie? den fallenden Korper mit dem Fu? zur Seite.
Er keuchte:»Sehen Sie nach ihm, Pascoe. Bringen Sie ihn nach achtern!»
Allday kampfte neben ihm, sein schweres Entermesser sauste mit erbarmungsloser Prazision nach vorn und hinten, nach oben und unten. Manner schrien und starben, aber auf dem Achterdeck drangten sich nun so viele zusammen, da? es unmoglich war, die
Ubersicht zu behalten. Pardon wurde nicht verlangt und nicht gegeben. Bolitho drangte noch einmal zum vorderen Teil des Decks, als er merkte, da? seine Leute wieder Boden gewannen. Er stach mit seinem Degen nach einem verzerrten Gesicht und anschlie?end zwischen die Schultern eines Offiziers, der gerade versuchte, sich zwischen seinen Leuten nach ruckwarts durchzudrangen.
Langst hatte er seinen Hut verloren, und sein Korper kam ihm wie zerbrochen vor, als ob er hundertmal getroffen ware. Aber mitten im Getummel sah er nur seinen Bruder vor sich. Seine letzte heroische Geste, als er sich zum Schutz vor seinen Sohn — und vielleicht auch vor ihn — geworfen hatte.
Ein Mann in Kapitansuniform, mit einer tiefen Wunde auf der Stirn, schrie ihm uber die Kopfe der kampfenden Leute etwas zu. Bolitho starrte ihn an und versuchte zu verstehen, was er rief.
Der franzosische Kapitan schrie:»Ergebt euch! Ihr seid geschlagen!«Dann sank er zu Boden, weil ein Seesoldat ihm das Bajonett in die Rippen gesto?en hatte.
«Geschlagen?«Bolitho schimpfte.»Streicht eure Flagge!«Er sah einen seiner Leute zur Flaggleine rennen und sie durchhauen, aber im gleichen Augenblick fallte ihn eine Musketenkugel. Langsam senkte sich die Trikolore als Leichentuch auf ihn herab.
Stepkyne arbeitete sich an die Seite von Allday vor. Sein Krummsabel kreuzte sich mit einem franzosischen Degen. Er hob einen Arm und schrie auf, als ein Mann, der sich unbemerkt herangemacht hatte, ihm einen Dolch in den Magen stie?. Der Mann lief weiter, offenbar selber benommen und ohne bestimmtes Ziel. Einer von Bolithos Matrosen sah ihn vorbeiflitzen und schlug ihm das Entermesser in den Nacken. Sein Gesicht blieb dabei so ausdruckslos wie das eines Wildhuters beim Toten eines Kaninchens.
Bolitho taumelte gegen die Reling, der Schwei? rann ihm in die Augen, so da? er nichts mehr sehen konnte. Er war am Ende, es mu?te das Ende sein, denn uber dem Klirren aufeinandertreffenden Eisens und den schrecklichen Schreien glaubte er, Triumphrufe der Franzosen zu horen.
Allday schrie ihm ins Gesicht:»Kapitan Herrick, Sir!»
Bolitho sah ihn an. Allday hatte ihn noch nie, soweit er sich erinnerte, mir >Sir< angeredet.
Er schleppte sich an den immer noch kampfenden und ineinander verbissenen Gestalten vorbei und blickte uber sein Schiff hinweg auf die angebra?ten Rahen und leicht getonten Segel eines anderen Schiffes, das gerade bei der Hyperion langsseit ging. Als dann Enterhaken in das zersplitterte Schanzkleid griffen, sah er Seeleute und Soldaten uber die Hyperion wie uber eine Brucke hinwegrennen, freudig begru?t von den Verwundeten und den wenigen Leuten, die an den Kanonen ihres entmasteten Schiffs zuruckgeblieben waren.
Kanonen wurden nicht mehr abgefeuert, und als weitere Manner sich ihren Weg durch Trummer, Enternetze und Verteidiger bahnten, sah Bolitho die franzosische Admiralsflagge niedersinken und horte die heiseren Rufe von Herricks Offizieren, mit denen sie die Franzosen aufforderten, sich zu ergeben und die Waffen niederzulegen.
Herrick selber kam nach achtern, den Degen in der Hand. Bolitho sah ihn stumm an. Das Kampfen hatte aufgehort, und als der Wind die Segel ein wenig zur Seite wehte, sah er die Spartan nahe vorbeisegeln. Ihre Manner brachten ihm ein Hoch aus, trotz Tod und Zerstorung ringsum.
Herrick ergriff seine Hand.»Zwei weitere Schiffe haben sich ergeben. Und auch die San Leandro ist unser!»
Bolitho nickte.»Und der Rest?»
«Zwei sind nach Norden gefluchtet. «Er druckte ihm begeistert die Hand.»Mein Gott, was fur ein Sieg!»
Bolitho befreite seine Hand und wandte sich zur Hutte. Er sah Pascoe neben Hugh knien; mit Herrick an seiner Seite bahnte er sich einen Weg durch die erschopften und dennoch ausgelassen jubelnden Matrosen zu ihm. Bolitho kniete nieder, aber es war schon voruber. Hughs Gesicht schien junger, die tiefen Falten waren daraus verschwunden. Er druckte seinem Bruder die Augen zu und sagte:»Ein tapferer Mann. «Pascoe sah ihn an, und seine Augen schimmerten.»Er hat mir das Leben gerettet, Sir.»
«Das hat er. «Bolitho stand langsam auf und fuhlte dabei, wie Schmerz und Erschopfung ihn zu uberwaltigen drohten.»Ich hoffe, Sie werden sich immer seiner erinnern. «Er machte eine Pause.»So wie ich.»
Pascoe sah in forschend an, und ein paar Tranen rannen ihm dabei uber die schmutzbedeckten Backen. Aber er sprach mit fester Stimme:»Ich werde ihn nie vergessen. Niemals!»
Allday meldete:»Man hat den franzosischen Admiral gefangen, Kapt'n.»
Bolitho drehte sich um; Jammer und Verzweiflung uber die furchtbaren Verluste durchrannen ihn wie ein Feuerstrom. Erst die Jagd mit all ihren Enttauschungen, und nun die vielen Toten. Aber Lequiller hatte uberlebt!
Er musterte den kleinen Mann, der zwischen Leutnant Hicks und Tomlin stand. Er hielt sich krumm und trug einen Bart, ein dunnes Mannchen, dessen beschmutzte Uniform ihm viel zu gro? schien.
Bolitho mu?te wegschauen, da es ihm unmoglich war, den Ausdruck unglaubigen Staunens auf Lequillers Gesicht zu ertragen. Er fuhlte sich plotzlich beschamt. Im Kriege war es besser, wenn der Feind kein Gesicht hatte.
«Bringen Sie ihn unter Bewachung auf die Impulsive. «Er wandte sich zum Niedergang. Seine Leute jubelten ihm zu, Hande, manche davon blutbedeckt, streckten sich aus, um seine Schulter zu beruhren, als er wortlos an ihnen vorbeiging.
Auf dem Achterdeck der Hyperion fand er Inch, der — einen Arm in der Schlinge und den zerschlitzten Rock wie ein Cape umgehangt — auf ihn wartete. Inchs Anblick trug mehr dazu bei, seine aufgewuhlten Gefuhle zu beruhigen, als er fur moglich gehalten hatte.
Leise sagte er:»Ich hatte Ihnen doch wohl befohlen, nach unten zu gehen?»
Inch zeigte seine Pferdezahne in einem muhsamen Grinsen.»Ich dachte, es wurde Sie interessieren, Sir: der Kommodore war wahrend der ganzen Schlacht ohne Besinnung. Aber jetzt ist er wieder hellwach und verlangt Brandy!»