Die pilgernde T?rin - фон Гёте Иоганн Вольфганг (книги бесплатно без регистрации полные .txt) 📗
Eines Tages, als Herr von Revanne die Freundschaft, die Dankbarkeit, die sie ihm bezeigte, etwas zu lebhaft erwiderte, nahm sie auf einmal ein naives Wesen an, das ihm auffiel.»Ihre Gute, mein Herr«, sagte sie,»angstigt mich; und lassen Sie mich aufrichtig entdecken, warum. Ich fuhle wohl, nur Ihnen bin ich meine ganze Dankbarkeit schuldig; aber freilich — «—»Grausames Madchen!«sagte Herr von Revanne,»ich verstehe Sie. Mein Sohn hat Ihr Herz geruhrt.«—»Ach! mein Herr, dabei ist es nicht geblieben. Ich kann nur durch meine Verwirrung ausdrucken — «—»Wie? Mademoiselle, Sie waren — «—»Ich denke wohl ja«, sagte sie, indem sie sich tief verneigte und eine Trane vorbrachte: denn niemals fehlt es Frauen an einer Trane bei ihren Schalkheiten, niemals an einer Entschuldigung ihres Unrechts.
So verliebt Herr von Revanne war, so mu?te er doch diese neue Art von unschuldiger Aufrichtigkeit unter dem Mutterhaubchen bewundern, und er fand die Verneigung sehr am Platze. — »Aber, Mademoiselle, das ist mir ganz unbegreiflich — «—»Mir auch«, sagte sie, und ihre Tranen flossen reichlicher. Sie flossen so lange, bis Herr von Revanne, am Schlu? eines sehr verdrie?lichen Nachdenkens, mit ruhiger Miene das Wort wieder aufnahm und sagte:»Dies klart mich auf! Ich sehe, wie lacherlich meine Forderungen sind. Ich mache Ihnen keine Vorwurfe, und als einzige Strafe fur den Schmerz, den Sie mir verursachen, verspreche ich Ihnen von seinem Erbteile so viel, als notig ist, um zu erfahren, ob er Sie so sehr liebt als ich.«—»Ach! mein Herr, erbarmen Sie sich meiner Unschuld und sagen ihm nichts davon.»
Verschwiegenheit fordern ist nicht das Mittel, sie zu erlangen. Nach diesen Schritten erwartete nun die unbekannte Schone, ihren Liebhaber voll Verdru? und hochst aufgebracht vor sich zu sehen. Bald erschien er mit einem Blicke, der niederschmetternde Worte verkundigte. Doch er stockte und konnte nichts weiter hervorbringen als:»Wie? Mademoiselle, ist es moglich?«—»Nun was denn, mein Herr?«sagte sie mit einem Lacheln, das bei einer solchen Gelegenheit zum Verzweifeln bringen kann. — »Wie? was denn? Gehen Sie, Mademoiselle, Sie sind mir ein schones Wesen! Aber wenigstens sollte man rechtma?ige Kinder nicht enterben; es ist schon genug, sie anzuklagen. Ja, Mademoiselle, ich durchdringe Ihr Komplott mit meinem Vater. Sie geben mir beide einen Sohn, und es ist mein Bruder, das bin ich gewi?!»
Mit ebenderselben ruhigen und heitern Stirne antwortete ihm die schone Unkluge:»Von nichts sind Sie gewi?; es ist weder Ihr Sohn noch Ihr Bruder. Die Knaben sind bosartig; ich habe keinen gewollt; es ist ein armes Madchen, das ich weiterfuhren will, weiter, ganz weit von den Menschen, den Bosen, den Toren und den Ungetreuen.»
Darauf Ihrem Herzen Luft machend:»Leben Sie wohl!«fuhr sie fort,»leben Sie wohl, lieber Revanne! Sie haben von Natur ein redliches Herz; erhalten Sie die Grundsatze der Aufrichtigkeit. Diese sind nicht gefahrlich bei einem gegrundeten Reichtum. Sein Sie gut gegen Arme. Wer die Bitte bekummerter Unschuld verachtet, wird einst selbst bitten und nicht erhort werden. Wer sich kein Bedenken macht, das Bedenken eines schutzlosen Madchens zu verachten, wird das Opfer werden von Frauen ohne Bedenken. Wer nicht fuhlt, was ein ehrbares Madchen empfinden mu?, wenn man um sie wirbt, der verdient sie nicht zu erhalten. Wer gegen alle Vernunft, gegen die Absichten, gegen den Plan seiner Familie, zugunsten seiner Leidenschaften Entwurfe schmiedet, verdient die Fruchte seiner Leidenschaft zu entbehren und der Achtung seiner Familie zu ermangeln. Ich glaube wohl, Sie haben mich aufrichtig geliebt; aber, mein lieber Revanne, die Katze wei? wohl, wem sie den Bart leckt; und werden Sie jemals der Geliebte eines wurdigen Weibes, so erinnern Sie sich der Muhle des Ungetreuen. Lernen Sie an meinem Beispiel sich auf die Standhaftigkeit und Verschwiegenheit Ihrer Geliebten verlassen. Sie wissen, ob ich untreu bin, Ihr Vater wei? es auch. Ich gedachte durch die Welt zu rennen und mich allen Gefahren auszusetzen. Gewi? diejenigen sind die gro?ten, die mich in diesem Hause bedrohen. Aber weil Sie jung sind, sage ich es Ihnen allein und im Vertrauen. Manner und Frauen sind nur mit Willen ungetreu; und das wollt' ich dem Freunde von der Muhle beweisen, der mich vielleicht wieder sieht, wenn sein Herz rein genug sein wird, zu vermissen, was er verloren hat.»
Der junge Revanne horte noch zu, da sie schon ausgesprochen hatte. Er stand wie vom Blitz getroffen; Tranen offneten zuletzt seine Augen, und in dieser Ruhrung lief er zur Tante, zum Vater, ihnen zu sagen: Mademoiselle gehe weg, Mademoiselle sei ein Engel, oder vielmehr ein Damon, herumirrend in der Welt, um alle Herzen zu peinigen. Aber die Pilgerin hatte so gut sich vorgesehen, da? man sie nicht wiederfand. Und als Vater und Sohn sich erklart hatten, zweifelte man nicht mehr an ihrer Unschuld, ihren Talenten, ihrem Wahnsinn. So viel Muhe sich auch Herr von Revanne seit der Zeit gegeben, war es ihm doch nicht gelungen, sich die mindeste Aufklarung uber diese schone Person zu verschaffen, die so fluchtig wie die Engel und so liebenswurdig erschienen war.