Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (книги без регистрации txt) 📗
Aber jetzt lag das Schiff vor Anker, hatte seine Aufgabe furs erste erfullt, und Bolitho war endlich aufgerufen, zu handeln und das Vertrauen zu rechtfertigen, das Sheaffe in ihn gesetzt hatte.
Leutnant Mountsteven, der Wachoffizier, tippte gru?end an seinen Hut und meldete:»Ein Boot halt auf uns zu, Sir.»
Keen nickte.»Besuch fur Sie, Sir.»
Bolitho wu?te, da? seine Anwesenheit hier oben storte; er sagte:»Ich bin in meiner Kajute, wenn Sie mich brauchen.»
Als er unter Deck ging, horte er die Seesoldaten zur Eingangspforte laufen und die Offiziere ihre Kommandos bellen, damit Achates fur den ersten Abgesandten des Landes gerustet war.
Ozzard raumte die gro?e Achterkajute auf, obwohl sie in Bolithos Augen eigentlich stets makellos sauber war. Er trat an die offenen Heckfenster und sah ein Boot im Schatten unter dem Rumpf verweilen, wahrend die Insassen neugierig Achates' vergoldete Galerie und Heckschnitzereien bestaunten. Unbehaglich machte er sich klar, da? sein Bruder Hugh einst hier stationiert gewesen war, unter Leuten wie diesen in der Stadt gelebt hatte. Von Adams Existenz hatte er damals nichts geahnt. Und nun kam Adam statt seiner zuruck, trat vielleicht in seine Fu?spuren. Bolitho wurde unruhig. Vielleicht hatte er Adam doch nicht hierher mitnehmen sollen, mochte es seiner Karriere auch noch so forderlich sein.
Die Tur ging auf, und da stand Adam, einen dicken Briefumschlag in der Hand.»Wir sind fur heute abend zu einem Empfang geladen, Onkel«, sagte er und hielt Bolitho den Umschlag hin.»Man hat mich soeben informiert, da? der Prasident der Vereinigten Staaten einen Gesandten zu deinem Empfang nach Boston beordert hat.»
Bolitho verzog das Gesicht.»Und damit wei? nun alle Welt, was wir hier vorhaben, Adam. Wenn sie uns schon so lange erwarten, kann es nicht uberraschen, da? wir nur acht Tage nach unserem Auslaufen in einen Zwischenfall verwickelt wurden.»
Adam nickte.»Offenbar haben wir ziemliches Aufsehen erregt. «Aber dann uberzog ein Grinsen sein Gesicht.»Vielleicht wollen sie doch noch ihre Steuerschulden an Konig George bezahlen?»
Bolitho schuttelte den Kopf.»Wenn du auch an Land so kesse Reden schwingst, dann bricht unseretwegen eher ein neuer Krieg aus!»
Als Bolitho spater bequem im Sessel ausgestreckt lag und sich von Allday fur den Abend rasieren lie?, versuchte er, sich uber das Ausma? seiner Verantwortung klar zu werden.
Die Fregatte Sparrowhawk mu?te nun bald von San Felipe nach Boston auslaufen. Ihr Kommandant, Kapitan Duncan, war nicht unbedingt ein diplomatisches Genie. Gewi? hatte er dem Gouverneur der Insel vorschriftsma?ig seine Aufwartung gemacht, ehe er um weitere Befehle nach Boston aufbrach; aber genauso gewi? hatte er Rivers nicht im unklaren uber den Ausgang der Affare gelassen.
Trotz allem, was Sheaffe ihm erklart hatte, kam es Bolitho immer noch unmenschlich und sinnlos vor, die Insel den Franzosen zuruckzugeben. Dabei dachte er weniger an Strategie oder Diplomatie, sondern mehr an ihre Bewohner. Viel zu oft hatte die Insel sich aus eigener Kraft gegen feindliche Uberfalle wehren mussen und hatte sogar selbst Schiffe ausgesandt, die im Namen des Konigs Prisen eroberten oder den Feind irritierten. In London und Paris sah man das alles aus ganz anderem Blickwinkel. Fur Bolitho aber, der mit geschlossenen Augen unter Alldays Rasiermesser lag, war die ganze Sache allmahlich so ratselhaft wie ein chinesisches Munzorakel.
Nach der Backofenhitze unter Deck geno? Bolitho dankbar die kuhlere Abendluft, als er in sein Langboot hinabkletterte. Er fuhlte sich seltsam gespannt, wie ein Entdeckungsreisender beim ersten Schritt auf noch unerforschtem Terrain.
«Rudert an — zugleich!«knurrte Allday, und die Bootsgasten pullten mit gleichma?igen, exakten Riemenschlagen das grun gestrichene Boot in einer weiten Kurve zum Land.
Der Erste Offizier hatte an Bord zuruckbleiben mussen, eine bittere Pille in einem so verlockenden Hafen, dachte Bolitho. Dann musterte er Keen, der ihn zum Empfang begleitete, und fragte sich, ob der Kommandant sich allmahlich entspannen konnte. Seit sie vor Anker lagen, hatte Keen die gro?te Arbeitslast zu tragen, denn er mu?te sich nicht nur um die Belange des Schiffes kummern, sondern auch einen endlosen Besucherstrom abfertigen, und zwar jeden einzelnen entsprechend seinem Rang und seiner Mission: die Kommandanten der amerikanischen Fregatten samt diversen Untergebenen, den Hauptmann der Hafenwache und einen au?erst hoflichen und gewandten jungen Herrn, der sich als Sohn ihres Gastgebers entpuppte.
Als das Langboot mit schnellem Riemenschlag an der Achates vorbeizog, vermochte Bolitho nicht zu widerstehen und musterte den Rumpf scharf nach verraterischen Spuren ihres kurzen Gefechts. Aber er konnte keine mehr entdecken — dank des geschickten Schiffszimmermanns und seiner Crew.
Einen letzten Blick warf er der schmucken Galionsfigur zu:
Achates, der treue Freund und Schwerttrager des Aeneas, leuchtete in klarem Wei?, mit einem Arm nach vorn deutend, in der anderen Hand das Schwert. Unter der Farbe wirkte die Holzfigur rund geschliffen vom Zahn der Zeit; gewi? hatte sie mehr Lander und Meere gesehen als irgend jemand an Bord und hatte Sturme erlebt wie kaum ein anderer.
Das Boot passierte einen machtigen Indienfahrer, der trotz der spaten Stunde immer noch eifrig Fracht ubernahm. Hastig kam einer seiner Offiziere an die Reling gerannt und lupfte gru?end den Hut, als das Admiralsboot an seinem Heck vorbeizog.
Ironischerweise war es ein Handelsstreit um Tee gewesen, der die Feuer der Revolution entfacht hatte, sann Bolitho. Und jetzt kamen und gingen die stolzen Handelsschiffe, wie es ihnen beliebte, wahrend ein Kriegsschiff sich nur im eigenen Hoheitsgewasser frei bewegen konnte.
Allday bellte ein Kommando, und der Bugmann erhob sich von seinem Platz, den Bootshaken in der Faust, klar zum Einhaken in die Festmacherketten.
Immer noch drangten sich Neugierige auf der Pier, und einige von ihnen hatten offensichtlich den ganzen Nachmittag hier verbracht. Die Fahrleute von Boston mu?ten an ihren sensationslusternen Passagieren schon ein Vermogen verdient haben.
Keen, Hauptmann Dewar von den Royal Marines, zwei Leutnants und Adam Bolitho waren als Gaste ins Haus eines einflu?reichen Bostoner Kaufmanns namens Jonathan Chase geladen; die restlichen Offiziere hatten anderweitige Einladungen erhalten. Keen hatte sie alle ermahnt, jedes Wort gut zu uberlegen und die Ohren offen zu halten, ob ihr Gefecht mit dem unbekannten Schiff erwahnt wurde; daraus hatte sich schlie?en lassen, da? diese Nachricht — mit wem? — ihnen schon vorausgeeilt war.
Bolithos Blick fiel auf einige junge Frauen an der Pier. Die besonders zuverlassigen Matrosen und Seesoldaten hatten ebenfalls Landurlaub erhalten. Aber nach den aufgeweckten Gesichtern dieser lachelnden Madchen zu schlie?en, wurde es den britischen Seeleuten hier verdammt schwerfallen, den Mund zu halten.
Trotz allem: Der Anschein des Alltaglichen, des Unbeschwerten mu?te gewahrt werden, alte Vorurteile mu?ten verdrangt, wenn schon nicht ganz vergessen werden.
Die Bootsgasten stellten salutierend ihre Riemen senkrecht, Allday zog gru?end den Hut und vergewisserte sich, da? Bolitho auf den nassen Steinstufen nicht ausglitt.
Bolitho lachelte dankend.»Feine Crew, Allday.»
Selbst Allday hatte zugeben mussen, da? die neue Barkasse ein Schmuckstuck war. Und die Bootscrew in ihren karierten Hemden, geteerten Huten und mit Haarzopfen von exakt gleicher Lange hatte nicht besser ausgewahlt sein konnen.
Timothy Chase, der Sohn ihres Gastgebers, wartete bereits neben zwei eleganten Kutschen. Er reichte Bolitho unter den neugierigen Blicken der Umstehenden die Hand.
«Sie sind uns willkommen, Admiral. Wie meine Mutter sagt — wir mussen an die Zukunft denken.»
Gelenkig sprang Hauptmann Dewar aus der Barkasse an Land, und beim Anblick seiner roten Uniform wurde die Menge unruhig.»Obacht, Jungs, die Rotrocke kommen zuruck!«schrie einer.