Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander (лучшие бесплатные книги txt) 📗
Leutnant Giles Vibart fluchte, als er auf den losen Steinen ausrutschte und ein Matrose gegen ihn prallte. Die graue Morgendammerung lie? erkennen, was der Nachtwind angerichtet hatte. Das lange Gras und der Stechginster lagen an die Erde gedruckt und glanzten vor Nasse. Er tastete nach seiner Uhr und hob dann die Hand.
«Wir machen einen Augenblick halt. «Er horte, da? sein Befehl von Mann zu Mann weitergegeben wurde, und wartete, bis die Leute sich neben dem holprigen Pfad niedergelassen hatten, ehe er sich den beiden Fahnrichen und dem Stuckmeister zuwandte.
«Lassen wir den Faulpelzen zehn Minuten zum Ausruhen. Dann marschieren wir weiter. «Er blickte sich um, als ein schwacher Sonnenstrahl seine Wange traf.»Sie gehen mit Ihrer Gruppe landeinwarts, Mr. Farquhar, um etwaigen Nachzuglern den Ruckweg abzuschneiden.»
Farquhar zuckte mit den Schultern und stie? nach einem Stein.»Und wenn niemand kommt, Sir?»
Vibart fuhr ihn an:»Tun Sie, was Ihnen befohlen wird!»
Maynard, der andere Fahnrich, schob seinen Dolch zurecht und musterte besorgt die lagernden Seeleute.»Hoffentlich desertiert keiner von ihnen. Das wurde dem Kapitan wenig behagen.»
Der Stuckmeister grinste trage:»Ich hab sie selber ausgewahlt. Alles alte Teerjacken. «Er ri? einen Grashalm aus und kaute darauf herum.»Alles gepre?te Leute. Fur einen solchen Auftrag sind sie viel besser geeignet als Freiwillige.»
Vibart nickte.»Vollig richtig, Mr. Brock. Kein Matrose schatzt den Gedanken, da? es anderen besser gehen soll als ihm selbst.»
Brock runzelte die Stirn.»Und warum auch? Es ware ungerecht, von der Flotte zu erwarten, da? sie blutige Seeschlachten schlagen und das Land vor den Froschfressern bewahren soll, ohne da? diese faulen und verwohnten Zivilisten dabei mithelfen! Sie scheffeln Geld und leben glucklich und zufrieden mit ihren Frauen, wahrend wir die harte Arbeit erledigen. «Er spie den Grashalm aus.»Zur Holle mit ihnen, das ist meine Meinung.»
Vibart ging zum Rand der Klippe und sah zu dem felsigen Strand hinunter. Der Wind pfiff durch das verfilzte Gras, und er mu?te von neuem daran denken, wie die Fregatte durch die Nacht gesturmt war. So ware Pomfret nie gesegelt. Pomfret schatzte ein seetuchtiges Schiff, das schon. Aber er betrachtete es doch mehr als ein Besitztum, denn als Waffe. Pomfret sa? in seiner prachtig ausstaffierten Kajute, schlurfte seinen Lieblingswein und schwelgte in gutem Essen, wahrend er, Vibart, das Schiff fuhrte und alle seemannische Arbeit verrichtete, zu der der Kapitan nicht imstande war. Ruhelos trat er von einem Fu? auf den anderen, wahrend ihm die Galle hochstieg und er voller Wut an die Ungerechtigkeit dachte, die ihm widerfahren war.
Was hatte Pomfret ihm nicht alles versprochen! Ein Wort am richtigen Ort, und sein Erster Leutnant wurde befordert werden. Bis dahin brauche Vibart nichts anderes zu tun, als das Schiff richtig zu fuhren und die Disziplin aufrechtzuerhalten. Er, Pomfret, wurde dann alles Weitere regeln.
Der Kapitan war an Prisengeld nicht interessiert. Er war reich, weit uber Vibarts Vorstellung hinaus. Und auch Ruhm war ihm gleichgultig. Ja, seine Unfahigkeit hielt seiner Feigheit die Waage. Vibart hatte Pomfrets Schwachen uberdecken und seine Leidenschaften lenken konnen — bis auf eine. Wie viele Feiglinge, war Pomfret brutal und sadistisch. Harte Disziplin betrachtete Vibart als Notwendigkeit, aber sinnlose Grausamkeit schien ihm zwecklos.
Doch Vibart war nur Leutnant, ein Leutnant von schon dreiunddrei?ig Jahren. Die meisten Offiziere waren bereits als Knaben zur Marine gekommen, er nicht. Aber seine Laufbahn war nicht weniger hart gewesen. Auf Handelsschiffen hatte er die ganze Welt umsegelt. Die letzten drei Jahre war er als Erster gefahren, auf einem Sklavenschiff. Dort hatte er schnell begriffen, da? sinnlose Brutalitat sich nicht auszahlte, wenn man am Ende der Fahrt die Laderaume nicht voll nutzloser Leichen haben wollte.
Vibart drehte sich verargert um und rief:» Auf, es geht weiter!«Aus brutenden Augen verfolgte er, wie die Manner nach ihren Waffen griffen und den Pfad entlangtrotteten, wahrend dieser arrogante junge Esel Farquhar uber den Hugel hinauf ins Binnenland abzog. Typisch, scho? es Vibart durch den Kopf: achtzehn Jahre alt, verwohnt und von guter Abkunft. Und ein einflu?reicher Admiral wachte uber sein Fortkommen wie ein Kindermadchen. Sein Blick ruhte fluchtig auf dem schmachtigen Maynard.»Halten Sie nicht Maulaffen feil! Setzen Sie sich an die Spitze der Abteilung!»
Nun, trotz ihres Vorsprungs an Herkommen und Einflu? hatte er es ihnen gezeigt. Der Gedanke daran warmte sein Inneres wie Rum. Ihm war seinerzeit schnell klargeworden, da? es gegen Pomfrets Schwachen keine Abhilfe gab. Und nicht weniger gut hatte er bald begriffen, da? jeder Widerstand gegen den Kapitan alle seine Hoffnungen auf Beforderung begraben hatte.
An Bord der ungluckseligen Fregatte hatte er einen Verbundeten besessen, David Evans, den Proviantmeister, der ihn uber alle Vorgange in den Decks informierte. Evans war ein Teufel. Sobald das Schiff an die Kuste kam, ging er an Land und handelte Vorrate und Proviant ein. Dabei nutzte er seinen hellen Verstand und seine flinke Zunge, um das Allerschlechteste einzukaufen, das ranzigste, widerlichste Zeug, das er auftreiben konnte. Das ersparte Geld steckte er in die eigene Tasche. Als Erster Offizier durchschaute Vibart den Trick, gebrauchte sein Wissen aber zum eigenen Vorteil. Evans verfugte in den Zwischendecks uber ergebene Speichellecker, verla?liche Manner, die gegen kleine Entlohnung ihre Kameraden bereitwillig verrieten.
So hatte Vibart denn die Mannschaft sorgfaltig und methodisch mehr und mehr unter Druck gesetzt. Doch alle Auspeitschungen erfolgten im Namen des Kapitans, nie in seinem. Was auch geschehen mochte, falls die Manner je gegen die Schikanen aufbegehren sollten, er, Vibart, mu?te sicherstellen, da? er im kritischen Moment zur Stelle war und da? er aus jeder Untersuchung ohne Tadel hervorging.
Evans hatte ihm von der beabsichtigten Meuterei berichtet. Es war Vibart klargewesen, da? der Augenblick endlich gekommen war. Als er Pomfret vorschlug, den ausgepeitschten Fisher wie eine gehautete Galionsfigur an den Bugspriet zu binden, wu?te er genau, da? das die Wut steigern und die Flammen der Meuterei anfachen mu?te. Als letzter Ansto? sozusagen.
Die Anfuhrer der Meuterei hatten den Zeitpunkt gut gewahlt, das mu?te er zugeben. Hatte Okes die Wache gehabt, ware er vielleicht in Panik geraten und hatte einen Larm geschlagen, den selbst der vom Alkohol betaubte Pomfret in seiner Koje gehort hatte. Mit Herrick war es anders. Der dachte nach, uberlegte. Es stand zu erwarten, da? er mit den Mannern reden wurde, da? er eher versuchen wurde, einen Aufstand zu verhindern, als ihn durch brutale Gewalt zu zerschlagen.
Vibart wu?te alles, selbst den Zeitpunkt. Atemlos wartete er in seiner Kabine, mit den Seesoldaten, deren Sergeant einer seiner willigen Helfer war, an seiner Seite. Der Plan war so einfach, da? Vibart am liebsten gelacht hatte.
Die Meuterer wurden das Achterdeck sturmen und die Wache uberwaltigen. Statt Alarm zu schlagen und so Pomfret den Vorwand fur eine neue blutige Raserei zu geben, wurde Herrick versuchen, die Leute zu beruhigen, indem er sich ihre Beschwerden anhorte. Aber die Meuterer wurden ihn toten, und dann konnte Vibart hinaufsturmen und das Achterdeck mit
Musketenfeuer freifegen.
Bei der Verhandlung vor dem Kriegsgericht wurde selbst der voreingenommenste Admiral erkennen mussen, da? Vibart das Schiff gerettet hatte, als einer der Offiziere mit seiner Wache bereits niedergemacht war und der Kapitan betrunken in seiner Koje schlief.
Selbst jetzt, auf dem feuchten Abhang, konnte sich Vibart an das Gerausch seines Atems in der Kajute erinnern. Horte nochmals, wie die Meuterer verstohlen heranschlichen, gerade als es am Bug zwei Glasen schlug. Doch es gab keine Schusse, keine Schreie. Weder das Klirren von Stahl, noch Herricks Todesrocheln.