Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander (серии книг читать бесплатно .txt) 📗
Musketen- und Pistolenfeuer; irgendwo oben krachte ein Drehgeschutz, eine Ladung gehacktes Blei fegte uber das gegnerische Deck und schleuderte Holztrummer und menschliche Leiber in alle Richtungen.
Ein bartiges Gesicht tauchte aus dem Qualm auf, und Bolitho hieb danach; mit der anderen Hand hielt er sich in den Netzen fest, um nicht uber Bord zu fallen und zwischen den Schiffsrumpfen zerquetscht zu werden. Der Pirat schrie auf und sturzte, ein Seesoldat stie? Bolitho zur Seite und kreischte wie ein Irrer, als er einen Mann mit dem Bajonett durchbohrte; sofort ri? er die Schneide wieder heraus und rammte den Kolben in einen verwundeten Feind, der wegzukriechen versuchte.
Allday duckte einen Sabelhieb ab und brachte den Angreifer damit aus dem Gleichgewicht. Mit der linken Faust schob er den Mann zuruck, um mit der eigenen Klinge besser ausholen zu konnen. Sie traf wie eine Axt auf Holz.
Bellairs stand in einer Abteilung Marineinfanteristen und brullte Kommandos, die kein Mensch horen konnte; sein eleganter Schleppsabel zuckte vor und zuruck wie eine silberne Schlange, wahrend er sich mit seinem Pulk zum Achterdeck durchkampfte.
Noch einmal brandete Hurrageschrei auf, und Bolitho sah Soames mit seiner Entermannschaft in den Gro?mastwanten des Gegners; Musketen feuerten auf kurzeste Entfernung in das Gewimmel unter ihm; Soames kreuzte die Klinge mit der eines gro?en schlanken Offiziers — Le Chaumareys' Erstem Leutnant, wie sich Bolitho erinnerte.
Soames rutschte aus und fiel auf eine umgesturzte Kanone, und der Franzose holte zum todlichen Stich aus. Aber ein Seesoldat hatte es gesehen; seine Musketenkugel ri? den Hinterkopf des Franzosen weg und warf ihn wie eine Stoffpuppe uber die Reling.
Bolitho merkte, da? Allday ihn am Arm schuttelte, um ihm etwas begreiflich zu machen.»Der Laderaum, Captain!«brullte er und stie? seinen Entersabel in Richtung der Hauptluke.»Die Hunde haben Feuer gelegt!»
Bolitho starrte hin; der Kopf schwirrte ihm von Kampf- und Siegesgeschrei, dem wahnwitzigen Wuten des Nahkampfes. Schon verdichtete sich der Rauch. Vielleicht hatte Allday recht, vielleicht hatte aber auch nur ein brennender Stopfen aus einem Geschutz der Undine mit Soames' letzter Breitseite seinen Weg in den Rumpf der Fregatte gefunden. So oder so, wenn er nicht sofort handelte, wurden beide Schiffe vernichtet werden.
Er schrie:»Hauptmann Bellairs! Zuruck!»
Bellairs glotzte ihn verstandnislos an; Blut tropfte ihm aus einer Stirnwunde. Dann aber schien er sich wieder unter Kontrolle zu bekommen und rief:»Zur Retraite!«Er sah sich nach seinem Sergeanten um, dessen Riesenkorper irgendwie von Stahl und Kugeln verschont geblieben war.»Coaker! Schreiben Sie den Kerl auf, wenn er nicht gehorcht!»
Coaker griff nach einem Trommelbub der Marineinfanterie, aber er war tot; blicklos starrten seine Augen den Sergeanten an, der ihm die Trompete aus den schlaffen Fingern wand und mit aller Kraft das Ruckzugsignal blies.
Den Kampf abzubrechen, fiel ihnen beinahe schwerer als vorher das Entern. Schritt fur Schritt wichen sie zuruck; hier und dort starb noch ein Mann oder sprang in den Raum zwischen den beiden Schiffsrumpfen, um nicht niedergemacht zu werden. Die Piraten hatten mittlerweile gemerkt, in welcher Gefahr ihr eigenes Schiff war, und schienen nur darauf bedacht, so schnell wie moglich von Bord zu kommen.
Die ersten Flammenzungen leckten bereits durch eine Luke. Die liegengelassenen Verwundeten schrien im Chor auf, aber in Sekundenschnelle brannten die Gratings und das nachste Bootslager lichterloh.
Bolitho packte die Webeleinen und warf einen letzten Blick auf die Fregatte. Seine Manner sprangen bereits auf den Decksgang der Undine hinuber. Vorn waren Shellabeer und seine Gehilfen schon dabei, die Taue zu kappen, welche die beiden Schiffe aneinanderfesselten, die vollen Bramrahen schon rundgebra?t, das Ruder gelegt, begann die Undine sich zu losen, glucklicherweise hielt der Wind Rauch und Funken von ihren Segeln und dem verwundbaren Rigg fern.
«Was jetzt, Sir?«keuchte Mudge.
Bolitho sah die gegnerische Fregatte nach achtern gleiten. Immer noch schossen ein paar Verruckte uber den sich schnell vergro?ernden Zwischenraum hinweg.
«Eine letzte Breitseite, Mr. Soames!«rief er.
Aber es war schon zu spat. Eine riesige Flammenwand barst durch das Geschutzdeck der Fregatte, wuchs gen Himmel und entzundete den Vormaststumpf mit den restlichen Segeln; wie ein Waldbrand sprang sie auf die Rahen des Gro?mastes uber.
Wie aus weiter Entfernung horte Bolitho seine eigene Stimme:»Das Fockreff raus, und zwar schnell! Den Weg, den wir gekommen sind, konnen wir nicht zuruck, ihr Bordmagazin mu? jeden Moment hochgehen. Also probieren wie lieber die ostliche Durchfahrt!»
«Ist vielleicht zu flach, Sir«, wandte Mudge ein.
«Wollen Sie lieber verbrennen, Mr. Mudge?»
Er ging zur Heckreling, um die Fregatte zu beobachten, deren Kampanje jetzt in hellen Flammen stand: immerhin ein englisches Schiff — aber so war es wohl besser.
Er drehte sich um und sagte schroff:»Mr. Davy, ich brauche einen genauen Schadensbericht. «Er sah an Davys Augen, da? die Trunkenheit des Kampfes bereits von ihm gewichen war.»Und die Verlustliste!»
Die Rahen schwangen herum, die Segel, durchlochert und rauchgeschwarzt, fullten sich in der Brise. Die Durchfahrt war anscheinend breit genug: sie hatten eine Kabellange Raum an Steuerbord, etwas mehr an Backbord. Er hatte schon Schwierigeres geschafft.
«Boot voraus, Sir!«Keen stand mit dem Fernrohr in den Wanten.»Mit blo? zwei Mann an Bord!»
Mudge rief:»Ich halte sie stetig, Sir. Wir steuern beinahe wieder Nordost, aber ich wei? nicht… »
Der Rest seiner Worte ging in Keens Kreischen unter:»Sir! Sir!«Unglaubig starrte er auf Bolitho herab.
«Nehmen Sie sich zusammen, Mr. Keen!«blaffte Davy.
Aber Keen schien ihn nicht zu horen.»Das ist Mr. Herrick!»
Bolitho sprang neben ihn in die Wanten. Das Boot war nur ein Wrack, und die hagere Gestalt, die jetzt einen Fetzen Tuch uberm Kopf schwenkte, sah wie eine Vogelscheuche aus. Halb im Wasser, lag auf dem Boden des vollgeschlagenen Bootes tatsachlich Herrick.
Bolithos Hand mit dem Teleskop zitterte. Er sah jetzt Herricks Gesicht, aschgrau unter Verbanden. Dann offneten sich seine Augen, denn der andere Mann schien ihm die Neuigkeit zuzurufen — es kam Bolitho vor, als verstunde er jedes
Wort.
Er befahl:»Weitergeben an Bootsmann! Er soll das Boot mit dem Draggen langsseits holen. «Er fa?te den Midshipman am Arm.»Und sagen Sie ihm, er soll sich Muhe geben, sonst… Eine zweite Chance bekommt er nicht!»
Allday war unter Deck gegangen, um irgend etwas zu holen. Jetzt war er wieder da und sah sich erstaunt um, bis Bolitho gelassen sagte:»Der Erste Leutnant kommt an Bord. Gehen Sie nach vorn, und hei?en Sie ihn in meinem Namen willkommen,
ja?»
Als die Fregatte einen flachen Landbuckel passierte, kam die Sonne hervor, um sie zu gru?en, ihnen die schmerzenden Glieder zu warmen und den Schock der uberstandenen Schlacht ein wenig zu lindern. Das Krachen einer dumpfen Explosion tonte von der Hauptdurchfahrt heruber, und noch mehr Rauch stieg uber dem nachstliegenden Land empor: er verkundete ihnen den Wind, der sie auf dem offenen Meer erwartete, und die endgultige Vernichtung der feindlichen Fregatte. Aber ob Muljadi an Bord gewesen war, das wu?te Bolitho nicht, und der entscheidende Kampf stand ihnen noch bevor.
Er horte Rufe vom Vorschiff und dann ein Hurra, als einige Matrosen in das sinkende Boot kletterten, um Herrick und seinen Gefahrten an Bord zu holen.
Nun, dachte Bolitho, was uns auch hinter jenen grunen Hugeln erwartet — Sieg oder Niederlage — , wir sind jedenfalls wieder zusammen.