Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .txt) 📗
Bolitho sah ihn ernst an.»Mein Gott, glaubst du, da? ich mir jetzt noch darum Sorgen mache?»
«Jedenfalls tue ich's. Und du gibst mir die Fluchtchance auch nicht nur deshalb, weil du im Grunde der Nachsicht des Kriegsgerichts mi?traust, sondern weil es auf meinen Sohn einen schrecklichen Eindruck machen mu?, wenn sein Vater als Hochverrater hingerichtet wurde. «Er lachelte wieder.»Ich kenne dich doch, Dick.»
«Also?«Bolitho stand auf und ging an das Kartenspind.
«Ich werde dein Angebot annehmen und abhauen. «Hughs Stimme klang plotzlich mude.»Und zwar nicht nach Cornwall, wo man mich erkennen konnte. «Er machte eine Pause.»Aber es wird England sein und nicht irgendein pockenverseuchtes Gefangnis am anderen Ende der Welt.»
Bolitho sah ihn an.»Vielleicht sprechen wir spater daruber.»
«Kaum. «Sein alterer Bruder sah ihm in die Augen.»Ubrigens halte ich das, was du jetzt tust, fur verruckt. Du hattest PelhamMartin die Verantwortung tragen lassen und ruhig in St. Kruis vor Anker bleiben sollen. Jetzt wird er gewinnen, ganz gleich, wie die Sache ausgeht.»
«Mag sein.»
Hugh nickte.»Aber vielleicht hatte ich genauso gehandelt. Die Manner aus Cornwall sind leicht verruckt, sagt man, und wir bilden anscheinend keine Ausnahme.»
Man horte Fu?getrappel auf dem Gang, dann steckte Midshipman Pascoe den Kopf durch die Tur.»Frage von Mr. Roth, Sir, ob er ein Reff einstecken darf. Der Wind hat ziemlich aufgefrischt. «Seine Augen wanderten von Bolitho zu Hugh.»Sir?»
Bolitho sagte:»Nein, das darf er nicht, Mr. Pascoe. Jetzt nicht und auch spater nicht, es sei denn, wir bekommen einen Hurrikan.»
Pascoe nickte.»Aye, aye, Sir, ich richte es sofort aus. «Dann fragte er:»Ware es Ihnen recht, wenn Mr. Selby mir den Sextanten noch einmal erklarte, Sir? Es scheint, da? ich etwas langsamer bin als die anderen.»
Bolitho sah ihn wohlwollend an.»Nicht langsamer, Mr. Pascoe, nur junger.»
Dann schaute er auf seinen Bruder.»Wenn Sie es mit Ihrem ubrigen Dienst vereinbaren konnen, Mr. Selby, haben Sie meine Genehmigung. «Und mit Nachdruck:»Was unsere Unterredung soeben betrifft — ich mochte hoffen, da? Sie die restliche Zeit gut nutzen.»
Hugh nickte, und seine Augen strahlten plotzlich.»Die Zeit wird gut genutzt, Sir, darauf haben Sie mein Wort.»
Als sie gegangen waren, stutzte Bolitho den Kopf in die Hande und starrte blind auf die Karte. Es hatte Zeiten gegeben, da ihm sein Bruder wegen der Aussichtslosigkeit seiner Zukunft leid tat. Jetzt war er eher neidisch auf ihn. Denn obwohl Pascoe uber die Identitat seines Lehrmeisters im unklaren blieb, wurde Hugh ihn schnell fur sich gewinnen; danach konnte er sich mit dem Gedanken trosten, da? sein Sohn frei von Schande das Leben weiterfuhren konnte, das er selber so leichtfertig weggeworfen hatte.
Und was hatte er selbst? Nichts. Seine Finger beruhrten wie von selber das Medaillon. Nur Erinnerungen, die im Lauf der Jahre gewi? so ungreifbar werden wurden wie der Wind und keinen Trost mehr schenkten.
Mit einem Ruck stand Bolitho auf und griff nach seinem Hut. Hier war ein schlechter Ort zum Alleinsein. An Deck hatte er wenigstens das Schiff und die Aufgabe, alles zu versuchen, was in seiner Macht stand.
XVIII Endlich: das Signal
Wie Bolitho vorausgesehen hatte, wich die erste allgemeine Begeisterung uber die Ruckkehr den Belastungen knochenbrechender Arbeit, die damit fur jeden Mann verbunden war. Als sie aus der friedlichen Zone des Passats in die Ro?breiten gelangten, wurden sie das Opfer von irritierenden und enttauschenden Verzogerungen. Denn in der Weite des Ozeans drehten die schwachen Winde unaufhorlich, manchmal zweimal wahrend einer Wache, so da? alle standig damit beschaftigt waren, die Segel neu nach dieser oder jener Seite zu trimmen, um auch nicht eine Mutze voll Wind zu vergeuden.
Schlie?lich setzte der Wind ganz aus, und zum ersten Mal seit St. Kruis schaukelte die Hyperion flugellahm mit schlaff hangenden Segeln in einer unangenehmen Dunung. Die meisten Leute an Bord waren zunachst dankbar fur die Ruhepause. Doch ihre Hoffnung auf Ruhe verflog schnell, als Bolitho Inch befahl, sie anders zu beschaftigen und die Zeit zu nutzen, um die Schlechtwettersegel anzuschlagen, die sie bald brauchen wurden.
Sechzehn Tage nach dem Ankerlichten erwischten sie eine steife Sudwestbrise, halsten unter einem bleifarbenen Himmel und nahmen Kurs Ost fur den letzten Abschnitt ihrer Fahrt.
Bolitho wu?te, da? ihn viele Leute verfluchten, wenn wieder einmal der Ruf» Alle Mann! Alle Mann an Deck!«erscholl und ihre muden Leiber in die Wanten und auf die schaukelnden Rahen trieb. Ihre Welt bestand nur noch aus heulendem Wind und durchnassendem Gischt, wenn sie hoch uber Deck mit aufgerissenen und blutenden Fingern die nasse Leinwand hochholten und mit Fausten zusammenschlugen, bevor sie die Beschlagzeisinge herumschlingen konnten. Dabei hatten sie zu kampfen, da? sie nicht den Halt verloren und nach unten in den sicheren Tod sturzten. Doch Bolitho hatte jetzt nur wenig Zeit fur ihre Gefuhle, wenigstens nicht mehr, als er sich selber in einem Augenblick der Ruhe gonnte.
Zu jeder anderen Zeit ware er stolz, ja begeistert uber die Art gewesen, wie das alte Schiff und seine Besatzung sich verhielten. Als die Meilen unter dem Kiel dahinrauschten und die Farbe des Ozeans in ein dumpfes Grau wechselte, wu?te er, da? ihn viele Kommandanten um die schnelle Reise beneiden wurden.
Wie immer, wenn er aufs Achterdeck kam, stand die Impulsive nicht weit hinter ihnen. Ihre dunklen Schlechtwettersegel gaben ihr das Aussehen von Zielstrebigkeit und grimmiger Entschlossenheit. Von der Hermes dagegen war nichts mehr zu erblicken. Bolitho hatte sich schon gefragt, ob Fitzmaurice sich vielleicht entschlossen haben mochte, vorsatzlich zuruckzufallen und ihn sich selbst zu uberlassen. Aber es war fruchtlos und unfair, so etwas uberhaupt zu denken. Solche Gedanken entsprangen nur der Ungewi?heit und seinem alles andere zuruckdrangenden Willen, das Schiff wie nie zuvor anzutreiben.
Jeden Tag hatte er den Kommodore in seiner Schlafkammer besucht, doch selbst das schien jetzt zwecklos. Pelham-Martin sprach selten mit ihm und starrte aus seiner Koje nur an die Decke, ohne sich die Muhe zu machen, seine Genugtuung uber Bolithos nichtssagende Berichte zu verbergen. Trotz Pelham-Martins stummer Feindseligkeit war Bolitho uber dessen Aussehen beunruhigt. Er a? wenig, trank zum Ausgleich aber eine Menge Brandy. Er schien niemandem in seiner Nahe zu trauen und hatte sogar Petch mit einer Flut von Drohungen weggejagt, als der Ungluckliche versucht hatte, ihm den Schwei? vom Gesicht zu wischen.
Seltsamerweise hatte der Kommodore jedoch nach Sergeant Munro verlangt, einem alteren Seesoldaten, der vor seiner Dienstzeit einmal Diener in einem Gasthof gewesen war und etwas vom Umgang mit Hohergestellten verstand. Bolitho hatte allerdings den
Verdacht, da? der Kommodore Munro mehr als Leibwachter gegen einen eingebildeten Feind denn als Diener ausgewahlt hatte.
Pelham-Martins Stimme war offenbar fester, aber er hatte es abgelehnt, da? Trudgeon nach ihm sah oder da? sein Verband in letzter Zeit gewechselt wurde. Bolitho war uberzeugt, da? er sich nur verstellte und Zeit bis zu dem Augenblick gewinnen wollte, da er seinen Irrtum zugeben mu?te.
Mit seinem Bruder hatte Bolitho nicht mehr gesprochen, aber eines Nachts, als der Wind unerwartet zu voller Sturmstarke auffrischte, hatte er ihn mit einigen Matrosen aufentern gesehen, um das Besanstagsegel zu bergen, das mit einem Knall, den man selbst im Tosen der See und dem Geheul der Takelage nicht uberhoren konnte, von oben bis unten zerrissen war. Pascoe war an seiner Seite gewesen, und als sie beide schlie?lich wieder an Deck standen, hatten sie einander so frohlich zugelacht wie Verschworene, die etwas Privates, Besonderes verband.