Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .txt) 📗
Wahrend die Tage vergingen, hielt sich Bolitho moglichst von seinen Offizieren fern und beschrankte sich auf dienstliche Kontakte. Der Sudwestwind zeigte keine Ermudungserscheinungen, und wahrend das Schiff durch die endlose Weite der schaumgekronten See stampfte und rollte, ging Bolitho ruhelos auf dem Achterdeck auf und ab, ohne auf seine durchna?te Kleidung zu achten, bis Allday ihn schlie?lich uberreden konnte, zu einem Teller Suppe und einer kurzen Ruhepause nach achtern zu kommen. Uberall im Schiff troff es von Feuchtigkeit, und in den unteren Decks hockten die Manner der Freiwache zusammengekauert hinter den geschlossenen Stuckpforten, schliefen oder warteten auf die nachste karge Mahlzeit; alle hofften, da? ihre Reise endlich ein Ende finden moge.
Die Koche hatten tatsachlich nur wenig anzubieten; in ihrer ewig schaukelnden Kombuse, zwischen dem Gewirr von Topfen und angebrochenen Fassern mit gesalzenem Schweine- oder Rindfleisch, konnten sie ohne Zauberei kaum etwas Besseres hervorbringen.
Am Mittag des siebenundzwanzigsten Tages stand Bolitho an der Querreling und sah zu, wie Inch und Gossett eifrig mit ihren Sextanten hantierten. Es hatte etwas aufgeklart, und gerade uber ihnen waren die Wolken zu langen Fahnen ausgefranst, zwischen denen ein wassriges Sonnenlicht die Illusion von Warme verhie?. Gossett sagte bedachtig:»Ich hatte es nicht fur moglich gehalten,
Sir!»
Bolitho ubergab Carlyon seinen eigenen Sextanten und hielt sich mit einer Hand an der abgenutzten Reling fest. Siebenundzwanzig Tage, also drei weniger, als er sich in St. Kruis zum kaum erreichbaren Ziel gesetzt hatte.
Inch trat an seine Seite und fragte vorsichtig:»Was nun, Sir?»
«Die Spartan klart dort schon seit ein paar Tagen auf, Mr. Inch. «Bolitho musterte den verschwommenen Horizont. In dem einheitlichen Metallgrau war kaum ein Unterschied zwischen Himmel und Wasser zu erkennen.»Wir bleiben bis zur Abenddammerung auf diesem Kurs. Vielleicht horen wir bis dahin etwas Neues von Kapitan Farquhar.»
Aber nichts geschah, auch tauchte nirgendwo ein Segel auf und unterbrach die unendliche Monotonie der lang dahinrollenden Wogen. Bei aufkommender Dunkelheit wendeten sie und legten sich unter gerefften Marssegeln hoch an den Wind. Nichts in Sicht auch am nachsten Tag, noch am Tage darauf, und als die Ausguckposten im Mast einander immer wieder ablosten und ihr taglicher Trott sich uber Minuten und Stunden hinschleppte, wu?te Bolitho, da? es — au?er ihm — nur wenige an Bord gab, welche die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatten.
Die Stimmung an Bord wurde gereizter, hier und da flammten unter den auf engem Raum zusammengepferchten Leuten alte Spannungen auf und endeten in Prugeleien. Drei Mann wurden ausgepeitscht, und ein sonst zuverlassiger Bootsmannsmaat mu?te in die Arrestzelle gesperrt werden, weil er sich geweigert hatte, zur Nachtwache aus seiner Hangematte zu kommen.
Funf Tage, nachdem sie den vermutlichen Treffpunkt erreicht hatten, sichteten die Ausguckposten die Spartan, die sich aus sudwestlicher Richtung naherte. Fur kurze Zeit kehrte etwas von der alten Erregung zuruck. Manner kletterten in die Wanten und Masten und sahen zu, wie die Spartan wendete und sich in Lee der Hyperion legte.
Midshipman Carlyon setzte sein Glas ab und blickte Bolitho an.
«Sie hat nichts zu melden, Sir. «Er senkte den Blick, als ob er daran schuld sei. »Spartan bittet um Befehle.»
Bolitho war sich bewu?t, da? Inch und die anderen ihn beobachteten, obwohl sie, wenn er sich umdrehte, alle mit anderen Dingen beschaftigt schienen.
Langsam antwortete er:»Signalisieren Sie: Spartan soll Position in Luv von uns einnehmen, wie die Dasher.»
Er sah zu, wie die Fregatte abfiel und ihre Rahen herumschwangen, als Farquhar sich erst einmal von der Hyperion freisegelte. Die Bordwand der Spartan trug Streifen vom Salzwasser, und in ihrer Takelage waren mehrere Leute dabei, Schaden auszubessern, die sie von den standigen Puffen des schlechten Wetters davongetragen hatte. Wie es auf der kleinen Korvette aussah, wagte Bolitho sich gar nicht vorzustellen. Trotzdem hatte die Dasher mit ihnen Schritt gehalten, hatte sich durch Sturme gekampft und in Flauten mit ihnen gelitten, und zu jeder Morgenwache hatten ihre Marssegel herubergegru?t.
Bolitho sagte:»Ich gehe nach achtern, Mr. Inch.»
Der Leutnant kam auf die Luvseite hinuber und fragte zogernd:»Werden Sie den Kommodore besuchen, Sir?«Er sah Bolithos Blick und fugte hinzu:»Noch ist Zeit, Sir. Wir konnen es gemeinsam ausbaden, wenn Sie wollen.»
Bolitho lachelte.»Es besteht kein Anla?, diesen Augenblick beschleunigt herbeizufuhren. «Er sah ihn ernst an.»Aber trotzdem vielen Dank. Die letzten Tage waren ziemlich hart fur uns alle.»
Als er wegging, horte er Inch sagen:»Diese verfluchten Froschfresser!»
Vor der Schlafkammer hielt Bolitho kurz an und machte erst dann die Tur auf. Pelham-Martin sah ihn einige Sekunden schweigend an. Dann fragte er:»Nun, geben Sie sich endlich geschlagen?«Bolitho klemmte seinen Hut fester unter den Arm.»Es ist nichts in Sicht, Sir. Das Rendezvous ist uberfallig.»
Pelham-Martins Augen blitzten kurz auf.»Holen Sie mir meinen Schreibblock!«Er beobachtete Bolitho, der an das eingebaute Spind ging.»Ich werde Sie augenblicklich Ihres Amtes entheben. Sie haben meine Befehle nicht befolgt und haben Vorteil aus meiner Verwundung gezogen. In diesem Sinne werde ich meinen Bericht abfassen.»
Bolitho legte den Block auf die Koje und sah ihn unbewegt an. Seine Glieder fuhlten sich so leicht, als ob er Opium genommen hatte; nichts schien ihn zu beruhren, was hier vor sich ging.
Der Kommodore befahl:»Holen Sie einen Zeugen!»
In diesem Augenblick erschien Inch in der Tur und starrte sie neugierig an. Er sagte:»Der Ausguck im Vormars hat die Hermes gesichtet, Sir.»
Pelham-Martin ruhrte sich unter seiner Decke.»Gut, dann wird das Geschwader geschlossen nach England zurucksegeln. «Sein Blick konzentrierte sich auf Inch.»Sie werden dieses Dokument hier als Zeuge unterschreiben. Und wenn Sie sich entsprechend verhalten, werde ich Sie vor dem Kriegsgericht retten.»
Inch sagte heiser:»Nichts von dem, was geschah, geschah ohne meine Zustim.. »
Bolitho unterbrach ihn scharf:»Bezeugen Sie lediglich dieses Dokument, Mr. Inch, und seien Sie kein Narr!»
«Recht so!«Pelham-Martin schien sich in seine Decke verwik-kelt zu haben. Er rief:»Munro, kommen Sie sofort!»
Der Sergeant betrat die Kammer und stellte sich ans Kopfende der Koje.»Richten Sie mich auf, verdammt noch mal!»
Als Munro ihn um die Schultern fa?te, stie? Pelham-Martin einen so gra?lichen Schrei aus, da? er ihn aufs Kissen zuruckfallen lie?.
Bolitho befahl kurz:»Bleiben Sie dort stehen!«Er zog die Decke zuruck und starrte die Schulter an, die aus dem Verband herausragte.»Holen Sie sofort den Arzt!«Ihm wurde fast ubel vor Entsetzen: Der Oberarm des Kommodore und der sichtbare Teil der Schulter leuchteten hellgelb wie eine reife Melone, und als er die Haut vorsichtig beruhrte, fuhlte sie sich brennend hei? an.
Pelham-Martin blickte zu ihm auf.»Was ist? Um Gotteswillen, warum starren Sie mich so an?»
Inch murmelte:»Du lieber Himmel!»
«Die Wunde hat sich entzundet, Sir.»
«Sie lugen!«Der Kommodore versuchte, sich aufzurichten, fiel aber mit einem Schmerzenslaut zuruck.»Sie sagen das nur, um Ihren Kopf zu retten!»
Trudgeon drangte sich an Inch vorbei und musterte schweigend die verfarbte Haut. Dann sagte er tonlos:»Der Splitter mu? entfernt werden, Sir. «Er sah Bolitho zweifelnd an.»Selbst dann bin ich nicht sicher…»
Pelham-Martin schrie wild:»Ruhren Sie mich nicht an! Ich befehle Ihnen, sich fernzuhalten!»
«Es hat doch keinen Sinn, Sir!«Bolitho sah ihn ernst an.»Sie dachten, ein so kleiner Splitter konne kein Unheil anrichten. Dennoch haben Sie sich daran infiziert. «Sein Blick fiel auf die leere Karaffe.»Oder Ihr Blut ist infiziert. «Er schaute weg, da er die angsterfullten Blicke des Mannes nicht mehr ertragen konnte.