Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .txt) 📗
Schwer stampfend und gischtuberspruht, arbeitete sich das Schiff mit wild schlagenden Vorsegeln und dichtgeholtem Besan in den
Wind.
Bolitho packte die Reling und folgte mit seinem Korper den Schiffsbewegungen, als die Hyperion weiterdrehte und schlie?lich durch den Wind kam.
Manner rannten in geordnetem Durcheinander uber Deck, die gebraunten Oberkorper vor Nasse triefend, als die See — nun von Steuerbord — uber das Vorschiff schlug und sie mit Spritzern uberschuttete.
Bolitho hieb die Faust auf die Reling.»Jetzt, Mr. Inch!»
«Los die Steuerbordschoten und Brassen, hol Brassen und Schoten an Backbord!«Inchs Hut hing schief auf dem Kopf, aber er schaffte es, sich uber den Larm der schlagenden Segel und des wimmernden Riggs verstandlich zu machen.
Bolitho beobachtete zufrieden, wie die Rahen herumschwangen, weil die Manner wie verruckt an den Brassen zogen, obwohl sie nur wenig Halt fur ihre nackten Fu?e auf dem nassen Deck fanden.
Uber ihnen fullten sich die Segel wieder mit dem Wind, der nun von der anderen Seite einfiel. Blocke und Taljen quietschten, Wanten und Stage vibrierten, bis das Schiff sich auf seinem neuen Kurs eingependelt hatte.
Bolitho nickte.»Und jetzt setzen Sie die Bramsegel!«Ein schneller Blick nach achtern sagte ihm, da? Herrick seinem Beispiel folgte. Sein Schiff drehte gerade an, wobei Bugspriet und Galionsfigur von einer uberkommenden See begraben wurden.
Gossett rief:»Kurs Nord zu Ost, Sir. Voll und bei!»
«Sehr schon. «Bolitho fuhlte, da? das Deck zitterte, als sich noch mehr Segel an den Rahen blahten. Die kleinen Gestalten hoch oben auf den Bramrahen schienen au?er Reichweite und Gefahr, aber er wu?te, da? dies eine Tauschung war. Ein Ausrutscher dort oben bedeutete den unmittelbaren Tod — wenn der Mann noch Gluck hatte. Fiel er aber in die schaumende See, hatte er nur die Aussicht, achteraus zu treiben und — das davonziehende Schiff vor Augen — zu ertrinken. Denn der Versuch, die Hyperion unter solch einem Segeldruck zum Stehen zu bringen, hatte eine Katastrophe heraufbeschworen. Bei solch einem Manover konnte sie leicht samtliche Masten einbu?en.
Auf dem Hauptdeck sah Bolitho den Segelmacher und seine Leute die Leesegel klarieren, die wie gro?e Flugel dem Schiff mit etwas Gluck einen zusatzlichen Knoten Geschwindigkeit geben wurden, wenn der Wind anhielt.
In den Masten und Wanten wimmelte es bald von Leuten, die nach dem Kommando ihrer Unteroffiziere auf und nieder, vor und zuruck kletterten und die Leesegel an ihren Spieren ausbrachten.
Plotzlich sah er Pascoe, der die Puttingswanten hochkletterte, wobei sein schlanker Korper zeitweise schrag nach unten hing. Bolitho hielt den Atem an, als er sah, da? Pascoes Fu? abrutschte und er den Schuh verlor, der gemachlich herunter und neben der Bordwand ins Wasser fiel. Der Junge fand aber gleich wieder Halt und kletterte hinter den anderen her, wobei ihm das schwarze Haar um den Kopf wehte. Als Bolitho wieder nach vorn schaute, bemerkte er seinen Bruder, der am Fockmast stand und die Augen beschattete, weil er ebenfalls nach dem Midshipman ausschaute. Als er bemerkte, da? Bolitho ihn beobachtete, machte er eine beruhigende Geste. Oder sollte sie Erleichterung ausdrucken?
Leutnant Roth rief: «Hermes hat gewendet!«Er schuttelte sich vor Lachen.»Sie kommt nicht mehr mit!»
Bolitho drehte sich zornig nach ihm um.»Seien Sie nicht so uberheblich! Wenn die Hermes zuruckfallt, werden Sie vierundsiebzig Kanonen weniger haben, wenn Sie sie am meisten brauchen.»
Roth errotete.»Tut mir leid, Sir.»
Bolitho ging auf die Luvseite und lehnte sich gegen die Finknetze. Er mu?te sich zusammennehmen. Sich uber solch eine harmlose Bemerkung zu argern, war sinnlos und dumm. Roth hatte eher Stolz auf sein eigenes Schiff ausdrucken wollen als Spott uber die unter der Wasserlinie mit hemmenden Muscheln und Pflanzen bewachsene Hermes. Er mu?te plotzlich an seine eigene Gereiztheit und Ungeduld damals im Mittelmeer denken, als die Hyperion, das Unterwasserschiff so voll Entenmuscheln und Seetang wie jetzt die Hermes, sich muhsam vorwartsschleppte und von einem verstandnislosen Admiral einfach zuruckgelassen wurde. Aber es war nutzlos, Vergleiche zu ziehen.
«Machen Sie ein Signal fur die Hermes, Mr. Carlyon. «Er runzelte die Stirn, als er sich an Fitzmaurices Versicherung, ihm beistehen zu wollen, erinnerte.»>Setzen Sie mehr Segel
«Sie hat verstanden gezeigt, Sir. «Carlyon schien uberrascht.
Vom Hauptdeck scholl Schimpfen und Fluchen herauf, als das Backbord-Leesegel wogte und flatterte wie ein Seeungeheuer. Es wollte einfach nicht richtig stehen, war aber trotzdem nutzlich. Auf jeden Fall hielt es die Manner beschaftigt, denn sie hatten noch einen langen Weg vor sich.
Inch sagte:»Hab' noch nie ein Segel gesehen, das so storrisch ist wie dieses, Sir.»
«Es ist moglich, da? wir weiter im Norden noch ungunstigere Winde bekommen. «Bolitho dachte laut.»Wir mussen das Schiff trotzdem mit allem vorwarts treiben, was wir an Segeln haben, und den Passat nutzen, so lange es geht.»
Die Manner aus den Masten glitten schon wieder herunter an Deck. Sie waren bester Stimmung wegen des prachtigen Bildes voll entfalteter Antriebskraft, die sie freigemacht hatten.
Bolitho sagte kurz:»Ich bin im Kartenraum, Mr. Inch. Sie konnen die Wache nach unten schicken.»
In dem engen Raum sa? er am Tisch und schaute starr auf die Karte. Alles war getan, und es schien, als sei seinen sorgfaltigen Berechnungen nichts mehr hinzuzufugen. Er blatterte die Seiten des abgenutzten Logbuchs durch. Jede enthielt die Eintragung uber zuruckgelegte Meilen, gesichtete Schiffe. Uber Manner, die gestorben, gefallen, verletzt waren. Mit einem Knall schlo? er es und stand auf. Er mu?te aufhoren, sich zu erinnern, das fuhrte zu nichts.
Es klopfte.»Herein!»
Er drehte sich um und sah seinen Bruder, der ihn mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete.
Bolitho sagte:»Mach' die Tur zu!«Dann leiser:»Du kannst offen sprechen. Es ist niemand da, der uns zuhort.»
«Ich wollte gern. «Hugh begann zu stottern und fuhr dann entschlossen fort:»Ich horte vom Tod deiner Frau. Es tut mir sehr leid. Was konnte ich dir sonst noch sagen?«Bolitho seufzte.»Ja. Ich danke dir.»
«Als ich mit den anderen Strafgefangenen in Cozar war, habe ich Cheney haufig bei der alten Festung Spazierengehen gesehen. Ich glaube, ich habe mich damals auch in sie verliebt. «Er lachelte traurig.»Wirst du die Franzosen dieses Mal finden?»
Bolitho sah ihn an.»Ja.»
«Wenn das Gluck dir hold ist, was hast du danach mit mir vor?»
«Ich habe mich noch nicht entschieden. «Bolitho setzte sich erschopft hin und rieb sich die Augen.»Falls wir Lequiller finden und schlagen…»
Sein Bruder hob eine Augenbraue.»Ihn schlagen?»
«Ihn zu lahmen, wurde schon ausreichen. «Seltsam, wie Hugh Dinge voraussah, die andere nicht einmal vermuteten. Eine Seeschlacht in der Biskaya, vielleicht einige hundert Seemeilen vom nachsten Land entfernt, konnte fur den Sieger ebenso gefahrlich enden wie fur den Besiegten.
Er fuhr abrupt fort:»Ich konnte dich den Behorden mit der dringenden Bitte um Begnadigung ubergeben. Angesichts dessen, was du auf der Spartan geleistet hast, sollte diese Bitte nicht abgeschlagen werden. «Er hob die Hand.»Hor' mich erst an, bevor du etwas sagst. Aber wenn du es vorziehst, schicke ich dich mit irgendeinem Auftrag an Land. «Er sah weg, als er weitersprach.»Du kannst dann verschwinden und weiter deiner Wege gehen.»
«Mit beidem setzt du dich der Kritik, moglicherweise sogar wirklicher Gefahr aus, Dick. Beim letzteren noch mehr, weil du dann mit dem Wissen weiterleben mu?t, da? du privaten Interessen zuliebe gegen deine Dienstauffassung versto?en hast.»